Über Abtreibung im Landgerichtsbezirk Nordhausen in den Jahren 1935-1939 und ihre Bekämpfung

Der Bezirk Nordhausen in Thüringen hat ca. 90.000 Einwohner. Der sehr linientreue Autor stellt die positiven Wirkungen der 'Neuausrichtung des Deutschen Volkes in politischer, wirtschaftlicher und volksbiologischer Hinsicht' den Zuständen der 'überwundenen Systemzeit' gegenüber. Überwunden werden soll die '"durch den wirtschaftlichen Niedergang und sittlichen Verfall bedingte Herabsetzung des Lebens- und Erhaltungswillens". Die "allgemeine Zeitströmung" habe dazu geführt, dass "die eigenmächtige Schwangerschaftsunterbrechung nicht für verwerflich" gehalten wurde; außerdem hätten sich „bestimmte Parteien für den Fortfall der strafrechtlichen Verfolgung der Fruchtabtreibung“ eingesetzt und sogar eine Lockerung der Strafvorschriften erreicht. Im Speziellen erwähnt er den ‚Reichsverband für Sexualhygiene und Lebensreform’, dessen Ziel es gewesen sei, die Bevölkerung über Möglichkeiten der Empfängnisverhütung aufzuklären, billige und zuverlässige Verhütungsmittel zu beschaffen und Ärzte zu nennen, die diese Mittel einsetzen.

Er analysiert das Zahlenmaterial nach allen nur möglichen Aspekten (Geschlecht, Alter, Kinderzahl, Beruf, Familienstand, Selbstabtreiberinnen und Lohnabtreiber, Vorstrafen, Wohngebiet, Todesfälle) und bringt Beispiele. Seine Interpretationen der Ergebnisse sind meist ideologisch-moralisierend und geben so einen guten Einblick in die Atmosphäre der NS-Zeit.

Ein großer Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den Methoden. Er unterscheidet „Mittel, die durch äußere Anwendung eine direkte Wirkung auf die Geschlechtsorgane ausüben, sog. äußere Abtreibungsmittel“ und „Mittel, die auf dem Wege über den Organismus auf die Gebärmutter wirken, die also perorale oder sog. innere Abtreibungsmittel sind“.

Zu den äußeren zählt er mechanische Einwirkungen, etwa „Motorradfahren auf holpriger, mit Schlaglöchern besäter Strasse“. Auch elektrische Anwendungen und psychische Einflüsse fallen in diese Gruppe, deren Wirksamkeit von einer entsprechenden Disposition der Schwangeren abhängt.

Als zweite Gruppe der äußeren Mittel nennt er vaginale Eingriffe wie Scheidentamponaden, Scheidenduschen, Scheidenspülungen, Uterusmassagen etc.

Für die wichtigste Gruppe hält er die intrauterinen Eingriffe, nämlich die Einführung fester Gegenstände, die Einführung salbiger Massen sowie Einspritzungen in die Gebärmutter.

Die Aufzählung der festen Gegenstände reicht von Quellstiften und Kathetern bis zu Holzstäben, Stecknadeln, Häkelnadeln, Federhaltern, Metalldrähten, Bleistiften, Gänsekielen und Schirmrippen.

Ausführlich bespricht er die Entwicklung und Anwendung von Abtreibungssalben (S. 139 f.). Er nennt auch Substanz- und Produktnamen, ebenso wie bei den Spülungen und Einspritzungen.

Bei den inneren Mitteln geht er auf wehenerregende Mittel ein (Mutterkorn, Chinin etc.), weiters auf harn- und stuhltreibende Mittel sowie Gifte.

Weiters widmet er sich den anatomischen und physiologischen Veränderungen durch die angewandten Methoden, dem Auftreten oder Fehlen von Schmerzen, dem klinischen Erscheinungsbild, Ermittlungs- und Verhörmethoden (Gestapo!), dem gerichtlichen Vorgehen, Verteidigungsstrategien der Beschuldigten.

Er ist nicht blind für Nöte wie Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Notlage, auch für gesundheitliche Erwägungen (Geisteskrankheit, Tbc, Kinderlähmung etc.), doch „wurde von seiten der Rechtssprechung darauf hingewiesen, dass nur dem Staate das Recht zustehe, gegen erbuntüchtiges Leben vorzugehen, und dass eigenmächtige Handlungen nicht geduldet werden könnten.“ (S. 159)

 

Inventarnummer
a3173
Autoren
J. Bichlmeier
Datum
1941
Themen
abbruch
Sprache
Deutsch
Kategorie
Fachartikel