Kyusaku Ogino (1882-1975)

Seine Entdeckung stieß auf Skepsis: „Wenn sie so gut ist, warum wurde diese Methode dann nicht schon früher entdeckt?“, beschreibt sein Verleger die häufigste Reaktion der Leser. Und zählt drei Beispiele für ähnliche Fehleinschätzungen auf, die anfangs belächelt wurden und sich später als segensreich erwiesen haben: Telefon (1876), bewegte Bilder (1895), Lokalanästhesie (1898).

Die Rede ist von der Erkennung der sicheren und unsicheren Tage durch den japanischen Gynäkologen Kyusaku Ogino. Ogino beschäftigte sich seit Mai 1919 mit der weiblichen Fruchtbarkeit. Er kannte die aktuelle (deutsche) Wissenschaftsdiskussion aus Übersetzungen durch den Missionspfarrer Hubert Reinirkens SVD (1893-1976) und eigene Deutschkenntnisse (Deutsch war in Japan die medizinische Fachsprache, so wie Latein heute bei uns). Anlässlich routinemäßiger gynäkologischer Operationen wählte er in den Folgejahren 65 Frauen aus, die einen besonders regelmäßigen Zyklus aufwiesen. Nach Öffnung der Bauchdecke inspizierte er bei ihnen die Eierstöcke und gegebenenfalls den Gelbkörper. Seine Beobachtungen veröffentlichte er im Februar 1923 im Hokuetsu Medical Journal. Darin kritisierte er die bis dahin gebräuchliche Rechenweise, den Tag des Eisprunges ab dem ersten Tag der Menstruation zu kalkulieren. Stattdessen müsse der Termin des Eisprunges vom zu erwartenden Einsetzen der nächsten Regel zurückgerechnet werden. Daraus und aus dem Zusammenhang zwischen Eisprung und der Entwicklung des Gelbkörperchens konnte er bestimmen, an welchen Tagen eine Befruchtung möglich war und an welchen nicht.

Ogino war zehn Jahre älter als sein österreichischer Kollege Hermann Knaus, der erst 1929 seine Beobachtungen über die sicheren und unsicheren Tage im weiblichen Zyklus präsentierte. Die beiden arbeiteten unabhängig voneinander, aber ihre Ergebnisse unterscheiden sich nur unwesentlich:

 

Ogino:

1. fruchtbarer Tag = kürzester Zyklus minus 18 Tage

Letzter fruchtbarer Tag = längster Zyklus minus 11 Tage

 

Knaus:

1. fruchtbarer Tag = kürzester Zyklus minus 17 Tage

Letzter fruchtbarer Tag = längster Zyklus minus 13 Tage

Der Beginn der Monatsblutung wird als 1. Tag des Zyklus’ gezählt

 

Obwohl Ogino früher als Knaus mit seinen Forschungen begonnen hatte, wurde seine Anerkennung durch einen ‚Standortnachteil’ behindert: japanische Publikationen wurden damals in der westlichen Wissenschaftswelt kaum wahrgenommen. Erst als er 1928 zu einem Vortrag nach Deutschland reiste und ab 1930 seine Erkenntnisse im (deutschen) Zentralblatt für Gynäkologie publizierte, wurden seine Forschungen von Knaus, Fränkel, Schröder und anderen einschlägig tätigen Wissenschaftern anerkannt und gewürdigt.

Wegen der großen sachlichen und zeitlichen Übereinstimmung der Ergebnisse wird die Berechnungsmethode nach Knaus und Ogino benannt, obwohl sie nicht gemeinsam forschten: ‚Knaus-Ogino-Methode’. Am 1. Januar 1975 starb Ogino 92jährig in Yorii-Cho in Mitteljapan.