1911: Marie P., und Johann K., Kindsmord

Die zwanzigjährige Marie P. unterhält im Jahre 1902 in Thal mit den Knechten August R. und Friedrich P. Liebesverhältnisse, wodurch sie geschwängert wird. Im vierten Monat hat sie eine Fehlgeburt, die sie verheimlicht und die Frucht vergräbt.

1907 wird sie mit dem Knecht Johann K. bekannt, der sich als vermögend ausgibt und ihr die Heirat verspricht. Daraufhin beginnt sie ein Verhältnis mit ihm, und ist bald darauf von ihm schwanger. Als sie im Oktober mit ihren Eltern nach Gösting übersiedelt, folgt ihr Johann K. nach. Bezüglich der Heirat sprechen sie beim Pfarramt Kalvarienberg vor, wobei er sich fälschlicherweise als Soldat ausgibt und die Militärdokumente nicht beibringen kann. Am 6. Januar 1908 gebiert sie ihren Sohn Hans, als dessen Vater sich Johann K. bekennt. Er verpflichtet sich zur Zahlung von monatlich sechs Kronen, zahlt jedoch nur drei Monate, danach verweigert er die Unterstützung. Als sie ihm mit gerichtlichen Schritten droht, bedroht er sie und das Kind mit dem Tod. Als fleißige und geschickte Näherin verdient sie weiterhin das Geld für ihr Kind und ihre Mutter. Bis März 1908 hält sich Johann K. in Marburg auf, kommt dann wieder und möchte zu ihr zurück. Da Marie P. von ihm nichts mehr wissen will, droht er ihr mündlich und brieflich mit dem Umbringen, bis sie ihren Widerstand aufgibt. Alle ein bis zwei Wochen kommt er in ein Gasthaus, wo er sie hinbestellt und so lange auf sie einredet, bis sie sich von ihm gebrauchen lässt.

Im Mai 1908 ist Marie P. wieder schwanger. Der Kindsvater verspricht für das Kind zu sorgen, verlässt sie dann allerdings und begibt sich in die Untersteiermark. Von Jänner bis März 1909 schreibt er ihr eine Reihe von Briefen, in denen er sie auffordert, das Kind umzubringen. Zahlungen verweigert er. In einer Märznacht bringt sie einen Knaben zur Welt, den sie mit einem hergerichteten Tuch erdrosselt. Die Leiche legt sie in eine neben ihrem Bett befindliche Kiste, wo sie am 9. November 1911 in mumifiziertem Zustand, von Insekten zernagt, aufgefunden wird.

Im Mai 1909 kommt Johann K. nach Gösting zurück und wirft ihr vor, dass sie ihr Kind getötet hat. Jeden Sonntag lärmt er vor ihrem Haus, droht ihr, auch in Briefen, dass er sie erschlägt und wegen Kindsmord anzeigen wird, sollte sie das Verhältnis mit ihm nicht fortsetzen. Deswegen gibt sie sich im Spätherbst 1909 wieder hin und wird schwanger. Als sie Johann K. nach Neujahr 1910 davon Mitteilung macht, sagt dieser 'Mach’s so wie mit dem anderen!' Ende August bringt sie ein Mädchen zur Welt, welches sie ebenso erdrosselt. Die Leiche trägt sie am nächsten Morgen in die Holzhütte, wo sie sie in die Erde vergräbt. Diesmal fällt den Leuten allerdings auf, dass Marie P. schlanker ist. Sie gibt jedoch an, dass ihr die Frucht von Dr. H. genommen worden ist.

Wieder zieht sie sich von Johann K. zurück, der sie abermals bedroht. Daraufhin lässt sie sich erneut mit ihm ein und wird zum vierten Mal von ihm schwanger. Am 17. Oktober 1911 gebiert sie einen Knaben, den sie mit einer um den Hals gelegten Schnur erdrosselt. Diesmal kommt die Sache durch das Gerede der Leute auf. Marie P. ist unumwunden geständig. Johann K. gibt die Nötigung zur Fortsetzung des Liebesverhältnisses zu, nicht aber die zur Unterlassung gerichtlicher Schritte, oder die Anstiftung zur Tötung der beiden Kinder. Er will sich an nichts erinnern können, nicht einmal von der Geburt der Kinder Kenntnis gehabt haben. Seine Briefe beweisen jedoch das Gegenteil. Beide werden zu zehn Jahren schweren Kerkers, verschärft durch ein hartes Lager vierteljährlich, verurteilt.


Quelle: Kriminalmuseum Graz; k.k. Staatsanwaltschaft Graz, Landesgericht für Strafsachen Schwurgericht Graz Vr X Vr 1944/11