Entstehungsgeschichte
Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch: Braucht man so etwas überhaupt?
Das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch (MUVS) in Wien wurde im Jahr 2003 von DDr. Christian Fiala, (geb. 1959), Arzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Berufserfahrung in Frankreich, Asien (Thailand), Afrika (Uganda, Tansania, Malawi) und Österreich gegründet. Über seine Beweggründe meint er: „Als Arzt kann ich nur eine begrenzte Anzahl von Menschen über ihre Fruchtbarkeit aufklären und wie sie damit bestmöglich umgehen. Als Wissenschaftler und Vortragender sind es schon mehr Menschen. Aber erst mit einem Museum gelingt es, das Wissen über verlässliche Verhütung und über einen medizinisch sicheren Schwangerschaftsabbruch in die ganze Welt hinauszutragen.“
Das MUVS ist im wesentlichen das Resultat der Anstrengung dreier Personen: DDr. Christian Fiala, Dr. Susanne Krejsa MacManus und Mag. Barbara Sommerer. Gemeinsam haben sie ihr vielfältiges Wissen, ihre Neugierde, ihre Phantasie sowie ihre nationalen und internationalen Kontakte eingebracht: Christian Fiala als Gynäkologe mit jahrelanger Tätigkeit auf dem Gebiet der Familienplanung im In- und Ausland sowie als Forscher und Vortragender, Susanne Krejsa MacManus als Wissenschaftsjournalistin und Archivarin, Barbara Sommerer als Museumsgestalterin mit dem Anspruch einer künstlerischen Umsetzung der Museumsarchitektur.
Warum ist das wichtig?
Im MUVS dokumentieren wir die Kulturgeschichte der Kontrolle über die Fruchtbarkeit der Menschen mittels Verhütung und Schwangerschaftsabbruch. Freud formulierte 1898 sinngemäß: Es wäre einer der größten Triumphe der Menschheit, Sexualität und Fortpflanzung zu trennen. Durchschnittlich 15 Schwangerschaften pro Frauenleben sind ‚natürlich‘, bzw. ‚naturgewollt’. Daraus ergeben sich rund zehn Geburten, die abhängig von Gesundheitszustand, Wohn- und Hygieneverhältnissen, Zugang zu sauberem Trinkwasser und energiereicher Nahrung etc. sind. Von den etwa 10 Geburten haben früher nur ca. sieben Kinder überlebt. Diese enorme Kinderzahl ist den meisten Menschen aus wirtschaftlichen, sozialen oder anderen Gründen aber zu hoch - damals wie heute. Die Geburtenkontrolle war und ist bei allen Generationen und auch bei den meisten Kulturen daher ein zentrales Thema. Aufgrund des mangelnden medizinischen Wissen war eine wirksame Verhütung früher unmöglich. Erschwerend kam hinzu, dass der Staat und die Kirche auch die wenigen Methoden der Verhütung, sowie den Schwangerschaftsabbruch verboten. Teilweise geschieht das in den meisten Ländern der Welt noch immer (z.B. Irland, Polen, Indien usw.).
Heute haben wir in westlichen Ländern einen weitgehend selbstbestimmten Zu- und Umgang mit Sexualität und Reproduktion. Oftmals aber ist der Zugang zu Wissen über biologische Zusammenhänge und die Kenntnis sowie der Einsatz von wirksamen Verhütungsmethoden immer noch unzureichend, wie rund 35.000 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr allein in Österreich bestätigen. Den großen Bedarf an ausserschulischer Aufklärung bestätigen rund 30.000 SchülerInnen, die seit Öffnung im März 2007 das MUVS zu interaktiven Führungen (Storytelling) besucht haben. Das MUVS sammelt, dokumentiert, erforscht, präsentiert und vermittelt diesen spannenden Teil der Kulturgeschichte mit der übergeordneten Vision des selbstbestimmten Handelns im Bereich der Sexualität, Fruchtbarkeit und Fortpflanzung.
Wer steckt dahinter?
Bereits als Student engagierte sich Christian Fiala für die Familienplanung, sowohl in Österreich als auch international. Im Jahr 1999 war er maßgeblich an der Einführung des medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs und 2001 an der Einführung der anonymen Geburt in Österreich beteiligt. Seit 2003 ist er ärztlicher Leiter des Gynmed Ambulatoriums Wien und seit 2005 auch am Landeskrankenhaus in Salzburg tätig.
2005 machte er seine Dissertation zum Dr. phil. (PhD) an der Universitätsklinik Karolinska in Stockholm. Seither ist er Mitarbeiter in der dortigen Forschungsgruppe zur Verbesserung von Verhütung und Schwangerschaftsabbruch. Weiters ist Dr. Fiala Autor und Co-Autor zahlreicher nationaler und internationaler Publikationen auf dem Gebiet Verhütung und Schwangerschaftsabbruch und seit 1999 hat er mittlerweile etwa 230 Vorträge bei nationalen und internationalen Veranstaltungen oder Kongressen zu den Themen Verhütung, Notfallverhütung/’Pille danach’ und Schwangerschaftsabbruch gehalten.
Das MUVS ist das einzige seiner Art weltweit. Daher gab es auch keine Vorbilder. So waren nicht nur die Inhalte neu zu erarbeiten, sondern auch die Darstellung musste in vielen Bereichen erst ‚erfunden’ werden. Dies geschah in Zusammenarbeit mit den beiden Firmen ‚Mit Loidl oder Co. Graz’ und ‚RAM’. An den Recherchen und am Aufbau des Museums war neben Christian Fiala, Susanne Krejsa MacManus und Barbara Sommerer auch ein vielseitiges Team an freien Mitarbeitern beteiligt, das die umfangreichen Archivrecherchen übernahm. Sie durchforsteten über zwei Jahre hindurch alle großen Archive Österreichs, um Dokumente zum Verhütungsverbot und Schwangerschaftsabbruch ausfindig zu machen. Nicht selten waren sie die Ersten, die dieses Material endlich wieder an Tageslicht brachten. Die Datenbank und Website wurden von ‚FOX medialab & design’ entwickelt und laufend betreut.
Viel wertvolle Kleinarbeit ist für die BesucherInnen nicht sichtbar: Das betrifft vor allem das Inventarisieren von inzwischen rund 6.000 einzelnen Objekten und Instrumenten, Büchern, Plakaten, Artikeln etc., das anfangs viele motivierte und interessierte StudentInnen übernommen hatten. Großer Dank gebührt auch den interessierten KollegInnen, FreundInnen, Familienmitgliedern und anderen GesprächspartnerInnen, die den Aufbau und die Weiterentwicklung des Museums durch Anregungen, Tipps, Informationen, Hilfestellungen, Ratschlägen zum Leben erweckt haben und weiterhin beleben. Dazu zählen auch die Ärztinnen und BeraterInnen der Gynmed Ambulatorien, die dieses Projekt mit großem Interesse und freundlichem Verständnis begleiten.
Wer finanziert das?
Das MUVS wird von einem privaten österreichischen Verein getragen. Einnahmen kommen aus Eintrittskarten und Führungen, sowie aus gelegentlichen Spenden. Die Errichtung dieses einzigartigen Museumsprojekts und ein Großteil des laufenden Betriebes werden aus dem Nachlass von Herrn Winfried Fiala finanziert (gest. 2001). Er hatte noch erlebt, was es bedeutet, über die Fruchtbarkeit nicht selbst entscheiden zu können, und stand deshalb zeitlebens hinter dem Engagement seines Sohnes Christian Fiala.