Februar 2004
Liebe FreundInnen unseres Museumsprojektes,
sicher haben Sie schon gespannt auf unseren neuen Bericht gewartet. Voilà – hier ist er:
das wohl erschreckendste Objekt unserer Sammlung ist ein Holzsplitter von siebeneinhalb Zentimetern Länge und drei Millimetern Dicke. Mit seiner Hilfe versuchte eine 20jährige Frau in Uganda, eine Fehlgeburt einzuleiten. Mit einer fortgeschrittenene eitrigen Entzündung der Gebärmutter, aber glücklicherweise noch rechtzeitig, kam sie in ein Spital und konnte gerettet werden. Viele andere Frauen erreichen kein Spital mehr. Schwangerschaftsabbruch ist (nicht nur in Uganda) gesetzlich verboten und Verhütungsmöglichkeiten sind nicht allgemein zugänglich.
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Und wie sah es bei uns aus?
Dazu Doris Lessing ‚Auf der Suche’, London, 1960:
„Eines Morgens hörte ich vor meiner Tür einen dumpfen Schlag. Mrs. Skeffington hatte sich eine Treppe hinuntergestürzt und war gerade im Begriff, es noch einmal zu tun.’Lassen Sie mich’, murmelte sie und ehe ich sie davon abhalten konnte, ließ sie sich fallen. Auf dem Treppenabsatz richtete sie sich langsam, sehr langsam, keuchend und blaß, wieder auf. ‚Das müsste genügen’, sagte sie und versuchte zu lächeln, während sie sich schwer atmend die Treppe hinauf zu Rosemary schleppte.“
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Und noch weiter zurück:
Das Wiener Gebär- und Findelhaus in der Alserstraße gegenüber dem Allgemeinen Krankenhaus entstand1784 im Gefolge der Josephinischen Reformen des Gesundheitswesens und einer Reihe von Kindsmordfällen des späten 18. Jahrhunderts und wurde 1910 aufgelöst.
730.130 Kinder wurden aufgenommen; zwischen der Revolution von 1848 und 1868 deponierte man rund 30% aller in Wien geborenen Kinder im Findelhaus.
Bis 1813 starben 97% aller im Wiener Findelhaus aufgenommenen Kinder; 1799 erreichte die Hälfte das Ende des ersten Monats nicht. Zwischen 1784 und 1910 erlebten 68% aller vom Wiener Findelhaus aufgenommenen Kinder das Ende der Verpflegungszeit nicht. Hauptursachen der Kindersterblichkeit waren vor allem Infektionskrankheiten sowie Erkrankungen des Magen- und Darmtraktes.
Für die rund 20.000 Findelkinder pro Jahr im 19. Jahrhundert mussten verehlichte oder verwitwete Pflegefrauen (Kostfrauen) aus allen Teilen der Monarchie (bis Schlesien) gefunden werden, die neben dem römisch-katholischen Glaubensbekenntnis als Voraussetzung Wohlstands- wie auch Sittlichkeitszeugnisse erbringen mußten. Für viele verarmte Familien in der Steiermark, Niederösterreich, Böhmen, Mähren und Ungarn boten die Wiener Findelkinder ein zusätzliches, meist dringend benötigtes Einkommen. Das Überleben der Findelkinder hing direkt proportional von der Höhe des ausbezahlten Pflegegeldes ab. Ein Arzt notierte 1825:„Ich kenne ein Weib, welches in einem Jahr zum 13. Male einen lebenden Findling gegen einen unter ihren Händen gestorbenen erhielt.“ Die von den Kontrolloren immer wieder festgestellte große Armut der meist im Bereich der Landwirtschaft tätigen Kostfrauen machte das Kostgeld, das je nach Kaufkraftniveau in den verschiedenen Teilen der Monarchie mehr oder weniger wert war, zur höchst erwünschten Einnahmequelle. Das ‚Zahlbuch’, das zur Behebung des Kostgeldes berechtigte, wurde von den im Kampf um Findelkinder in Konkurrenz zueinander stehenden Kleinhäuslerinnen häufig an Kaufleute oder Geldboten verpfändet.“
Für diese Informationen bedanken wir uns bei der Galerie Dr. Sternat, die uns ein interessantes Aquarell des österreichischen Künstlers Pippich angeboten hat. Das Museum wird es leider nicht ankaufen können, doch empfehlen wir es unseren LeserInnen in der Hoffnung, anschließend eine schöne Farbkopie zur Verfügung gestellt zu bekommen...
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Die Um- und Aufbauarbeiten für das Museum beginnen demnächst. Inzwischen sammeln wir fleißig weiter. Wir sind nach wie auf der Suche nach Objekten und Leihgaben für das künftige Museum für Schwangerschaftsverhütung und –abbruch: speziell Filme, Plakate, Broschüren, Bücher, Dokumente, Statistiken; Hilfsmittel und Gerätschaften zur Verhütung, zu Schwangerschaftstests und zur Abtreibung. Alles von einst & jetzt, von hier & anderswo.
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P.S. Wenn Sie in Zukunft keine Mails von uns mehr bekommen wollen oder irrtümlich doppelt angeschrieben werden, schicken Sie uns bitte eine kurze Info!