Oktober 2004
Liebe FreundInnen des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch,
eine erste Präsentation unseres ständig wachsenden Museums konnten wir im September in Form einer Wanderausstellung anlässlich des FIAPAC-Kongresses in Wien geben: Die Themen ‚Pille & Co’, ‚Kondom’, ‚Scheidenspülungen’ sowie ‚Spiralen’. Bilder davon erreichen Sie über die Links von unserer Homepage www.verhuetungsmuseum.at oder www.contraceptive-museum.org.
Dort können Sie sich auch schon auf einen virtuellen Rundgang durch unser Museum begeben.
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„... wäre es einer der größten Triumphe der Menschheit, eine der fühlbarsten Befreiungen vom Naturzwange, dem unser Geschlecht unterworfen ist, wenn es gelänge, den verantwortlichen Akt der Kinderzeugung zu einer willkürlichen und beabsichtigten Handlung zu erheben, um ihn von der Verquickung mit der nowendigen Befriedigung eines natürlichen Bedürfnisses loszulösen.“
Raten Sie mal, von wem diese prophetischen Worte stammen?
Vom berühmten Wiener Psychiater Siegmund Freud (1856 – 1939), ‚Die Sexualität in der Ätiologie der Neurosen’ (aus Wiener Klinische Rundschau, Nr. 2, 1898). Er selbst war übrigens vasektomiert, eine Methode, die Anfang des 20. Jahrhunderts vom Wiener Chirurgen Eugen Steinarch (1861 – 1944) salonfähig gemacht worden war.
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Sadie Sachs aus New York war die fünfundzwanzigjährige Frau eines Lastwagenfahrers und Mutter von drei Kindern. Im Juli 1912 versuchte sie selbst eine Abtreibung; ihr Mann fand sie bewußtlos und blutend am Küchenboden und rief den Arzt. Als die Sepsis nach Tagen ärztlichen Kampfes endlich besiegt war, flehte sie den Arzt an: „Was kann ich tun, um keine Kinder mehr zu bekommen?“ Seine lapidare Antwort lautete: „Sagen Sie Ihrem Mann, er soll auf dem Dachboden schlafen.“
Drei Monate später war Sadie tot; diesmal war sie zu einer Fünf-Dollar-Abtreiberin gegangen. Es war nicht der erste Fall dieser Art, mit dem die Krankenschwester Margaret Sanger (1879 – 1966) konfrontiert war: „Ich sehe sie vor mir, diese armen, schwachen, zerbrechlichen und verwüsteten Frauen, alle Jahre wieder schwanger, wie automatische Brutmaschinen.“ Schätzungen sprachen von 100.000 illegalen Abbrüchen pro Jahr allein in New York. Das Schicksal der kleinen Sadie beeinflusste Margaret Sangers Entschluß, ihre palliative Arbeit als Krankenschwester und im Sozialdienst zu beenden und „die Wurzeln des Übels zu erkennen und etwas zu tun, um das Schicksal der Mütter zu verändern, deren Elend zum Himmel schrie.“
Bereits 1912 schrieb sie unter dem Titel ‚Was jedes Mädchen wissen sollte’ eine regelmäßige Zeitungskolumne über Sexualerziehung, die allerdings von der Zensur kritisch beobachtet wurde: ihr Artikel über Geschlechtskrankheiten wurde wegen ‚Obszönität’ verboten.
1914 veröffentlichte sie die erste Ausgabe der Monatszeitschrift The Woman Rebel, die radikal-feministische Forderungen verbreitete inklusive des Rechtes auf Geburtenkontrolle. Ihre 1916 erste Klinik für Geburtenkontrolle in den USA wurde nach nur neun Tagen von der Polizei geschlossen und Sanger und ihr Team eingesperrt.
1917 gründete sie die Monatszeitschrift ‚Birth Control Review’ und 1921 rief sie die ‚American Birth Control League’ ins Leben, um die Öffentlichkeit für Verhütung zu mobilisieren.
1929 formierte sich unter Sanger das ‚National Committee on Federal Legislation for Birth Control’, um die Gesetzgebung dahingehend zu beeinflussen, dass Ärzte Verhütungsmittel abgeben dürfen.
1952 gründete sie schließlich die International Planned Parenthood Federation (IPPF).
Parallel zu ihrer Arbeit als Lobbyistin und Publizistin war Sanger ständig bemüht, einfachere, billigere und wirksamere Verhütungsmittel ausfindig zu machen und zu propagieren. Sie unterstützte amerikanische Produzenten des ursprünglich holländischen Diaphragmas, das sie aus Europa eingeschmuggelt hatte, und kümmerte sich um viele Forschungsprojekte für spermizide Cremes, kontrazeptiven Schaum und Puder und hormonelle Verhütungsmittel. Schließlich war es in den 1950er-Jahren ihr zu verdanken, dass große Finanzmittel für die Entwicklung der Anti-Baby-Pille bereitgestellt wurden.
Unsere Bücher von und über Margaret Sanger werden über unsere Homepage www.verhuetungsmuseum.at einzusehen sein.
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Eines unserer Lieblingsobjekte ist das mysteriöse Latexkondom ‚Lily’ für Frauen der ‚Shanghai Lily Life Rubber Product Ltd.’, das von chinesischen Familienplanungsstellen abgegeben wird. Mit etwas Phantasie erinnert sein Aussehen an eine Seeanemone. Wir sind über die einzuhaltende Richtung noch unschlüssig (Wo ist oben?). Als Scheidenbarriere-Methode ist es quasi ein Diaphragma, wofür auch die Tatsache spricht, dass es zusammen mit einer Creme angewandt wird. Keine unserer Bemühungen um weitere Informationen und weitere Exemplare ist bisher erfolgreich verlaufen. Zielführende Hinweise werden dankbar entgegengenommen.
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Trotz interessanter Neuzugänge sind wir weiterhin auf der Suche nach Objekten und Leihgaben für das künftige Museum für Schwangerschaftsverhütung und –abbruch: speziell Filme, Plakate, Broschüren, Bücher, Dokumente, Statistiken; Hilfsmittel und Gerätschaften zur Verhütung, zu Schwangerschaftstests und zur Abtreibung. Alles von einst & jetzt, von hier & anderswo.
Sie können uns aber auch durch die Übernahme von Sponsorships für Objekte unterstützen, die wir alleine nicht finanzieren können.
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P.S. Wenn Sie in Zukunft keine Mails von uns mehr bekommen wollen oder irrtümlich doppelt angeschrieben werden, schicken Sie uns bitte eine kurze Info mailto:verhuetung@aon.at