November 2004
Liebe FreundInnen des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch,
„Die Erkenntnis, dass die Bestimmung der Kinderzahl in ihrem Ermessen liegt, verführt leicht die Frauen dazu, nur ein Kind oder höchstens ein Pärchen als Spielzeug haben zu wollen, während ihre soziale Funktion ihnen die Pflicht auferlegt, eine Schar von Kindern, die doch erst mit dreien beginnt, zu gebären und aufzuziehen. Es ist also dringend notwendig, Gegenvorstellungen im weiblichen Bewusstsein zu erwecken und das Verantwortlichkeitsgefühl und Gewissen nach dieser Richtung hin zu schärfen.“
Dieses Zitat stammt aus unserem Buch ‚Die Hygiene der menschlichen Fortpflanzung’ von 1926. Ihr Autor, Alfred Grotjahn (1869-1931), war der erste deutsche Lehrstuhlinhaber für Sozialhygiene in Berlin. Vehement sprach er sich für die Sterilisation aus, um die Geburt (möglicherweise) erblich belasteter Kinder zu verhindern. Es ist schwierig, seine Darstellungen unvoreingenommen zu lesen und ohne Vorgriff auf spätere politische (Fehl)Entwicklungen zu interpretieren.
Schon bald können Sie dieses und unsere anderen Bücher über unsere Homepage im Volltext abrufen.
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Falls Sie in unserer vorigen Ausgabe über die amerikanische Familienplanungs-Pionierin Margaret Sanger gelesen haben, wird Sie vermutlich auch unser heutiger Beitrag über ‚The Margaret Sanger of Japan’ Ishimoto Shizue (1897 – 2001) fesseln.
Frau Ishimoto wurde in eine reiche Samuraifamilie geboren, aber westlich-orientiert erzogen. Ihr erster Mann, Baron Ishimotot Keikichi, verstand sich als humanistischer Christ mit großem Interesse an Sozialreformen. Bei seiner Arbeit in den Kohlegruben von Kyushu, wo sie unter primitiven Wohnbedingungen mit dem sozialen, hygienischen und gesundheitlichen Elend der Arbeiterinnen konfrontiert waren, wandelte sich ihr Mann zum glühenden Kommunisten sowjetischer Ausprägung und übersiedelte nach drei Jahren in die USA, um für die Arbeiterbewegung zu kämpfen.
Treffen mit Margaret Sanger zu Beginn der Zwanzigerjahre brachten für Shizue den Wendepunkt. Fortan widmete sie sich der Bewegung für Familienplanung – gegen den Widerstand der japanischen nationalistischen Politik, die ein Bevölkerungswachstum forderte. Im Dezember 1937 wurde sie sogar für zwei Wochen eingesperrt und gezwungen, ihre Klinik in Tokio zu schließen, die sie dank amerikanischer Unterstützungsgelder hatte eröffnen können.
Als Frauenrechtlerin musste Shizue gleichzeitig gegen das Tabu ankämpfen, das von Frauen aus gutem Haus ein zurückhaltendes und öffentlich unauffälliges Wesen forderte; von allen in ihren Kreisen unerwünschten Gesprächsthemen war Geburtenplanung sicher das am wenigsten schickliche.
Sobald Frauen 1946 das Wahlrecht bekamen, wurde Shizue Kato (seit 1944 mit dem Sozialistischen Politiker Kanju Kato verheiratet) selbst Parlamentsabgeordnete. Sie kämpfte bis zu ihrem Tod mit 104 Jahren unermüdlich für das Wohlergehen von Frauen, speziell gegen das Verbot der Familienplanung.
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17 historische Spiralen in den aberwitzigsten denkbaren Formen erhielten wir von Percy Skuy, dem Gründer des History of Contraception-Museums in Toronto. Manche der ‚Spiralen’ gleichen Ringen und Blättern und Rädern und Herzen oder einfach einem geknüpften Stück Angelschnur. Eher schreckenerregend sieht hingegen der ‚Majzlin Spring’ aus, ein Zick-Zack gefalteter Stahldraht. Zwischen 1967 und 1973 wurde er von rund 100.000 Anwenderinnen benützt. Dann wurde er vom Markt genommen, weil er zu Blutungen, Infektionen, Perforation der Gebärmutterwand führen konnte und äußerst schwierig zu entfernen war. Dies ist eines der unzähligen Beispiele, mit denen die Menschen versucht haben, die Fruchtbarkeit irgendwie zu regulieren.
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Trotz interessanter Neuzugänge sind wir weiterhin auf der Suche nach Objekten und Leihgaben für das künftige Museum für Schwangerschaftsverhütung und –abbruch: speziell Filme, Plakate, Broschüren, Bücher, Dokumente, Statistiken; Hilfsmittel und Gerätschaften zur Verhütung, zu Schwangerschaftstests und zur Abtreibung. Alles von einst & jetzt, von hier & anderswo.
Sie können uns aber auch durch die Übernahme von Sponsorships für Objekte unterstützen, die wir alleine nicht finanzieren können.
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P.S. Wenn Sie in Zukunft keine Mails von uns mehr bekommen wollen oder irrtümlich doppelt angeschrieben werden, schicken Sie uns bitte eine kurze Info mailto:verhuetung@aon.at