Dezember 2005
Liebe FreundInnen des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch,
„long time no see“ – wir haben lange nichts von uns hören lassen! Der Grund für unsere ‚Faulheit’ war übergroßer Fleiß beim Aufbau des Museums. Aber jetzt ist ein Ende (und damit die Eröffnung) wirklich absehbar und die Tradition der Newsletter wird wieder aufgenommen.
Heute gibt’s ein paar Schmankerl zum Schwangerschaftsnachweis: Weizen, Bier und Frösche
„Die Schwangerschaftszeichen sind häufig so undeutlich oder schlecht zu interpretieren, dass man eine Frau fälschlich für schwanger hält. In anderen Fällen wird eine Schwangerschaft umgekehrt erst sehr spät erkannt. Nicht nur die Hebammen und die Frauen selbst irren sich, sondern auch die Ärzte wußten bis zum 18. Jahrhundert kaum über die körperlichen Anzeichen Bescheid.“
Weiterführende Literatur: Jacques Gélis: Die Geburt – Volksglaube, Rituale und Praktiken von 1500 bis 1900
Heute ist die entscheidende Frage, ob schwanger oder nicht, schnell beantwortet. Ein Harntest aus der Apotheke gibt sogar schon kurz vor der erwarteten Regelblutung die Auskunft in wenigen Minuten. Chemie machts möglich.
Bis in die 1970er-Jahre war der Frosch ‚State of the Art’. Dieser biologische Indikator funktionierte beinahe so präzise wie die heute gebräuchlichen Tests, war aber wesentlich langsamer und arbeitsaufwändiger. Bei dem nach seinen Entwicklern benannten ‚Galli-Mainini-Froschtest oder -Krötentest wurde einem männlichen Frosch oder einer Kröte Urin oder Blutserum der potenziell schwangeren Frau in den Rücken-Lymphsack oder unter die Haut injiziert. Wenn beim Frosch nach 3 Stunden Samenzellen nachzuweisen war, so war die getestete Frau schwanger. Das Versuchstier stand nach einer gewissen Erholungspause für den nächsten Test wieder zur Verfügung; außer den Injektionen und der Gefangenschaft musste das Tier keine Unbehaglichkeiten erleiden.
Weiterführende Literatur: Semana Medica 64, 337, March 1947 und Acta Obst. Gyn. Scand. Vol. 30, 3, 308-314, 1950.
Da wir bisher kein Film- oder Fotomaterial über diesen historisch wichtigen Test finden konnten, haben wir mit einem Zeitzeugen einen Film gedreht, der im Museum zu sehen sein wird.
Die biologischen Testverfahren basieren auf der Tatsache, dass das Schwangerschaftshormon hCG dem Hypophysenhormon LH sehr ähnlich ist, mit dem das Gehirn den Eisprung bzw. die Spermienproduktion steuert. Ist eine Frau schwanger, so findet sich im Harn eine große Menge an hCG. Dieses wirkt im Tier wie eine Überstimulation mit dem Sexualhormon LH und führt zu den beschriebenen Reaktionen.
Das Schwangerschaftshormon (hCG oder ß-hCG, humanes Chorion Gonadotropin) wird etwa ab dem 4. Tag nach der Befruchtung gebildet, zunächst von der befruchteten Eizelle und später in der Plazenta. Noch 1953 sind in einem Klassiker der Laboratoriumsdiagnostik außer dem Frosch-Test folgende, damals gebräuchliche Methoden des biologischen Schwangerschaftstests angeführt, die Harn oder Serum verwenden: Aschheim-Zondek-Reaktion an Mäusen, dauert allerdings sehr lange (72-100 Stunden), außerdem müssen die Mäuse dabei ihr Leben lassen. Friedmann-Test (24-48 Stunden, verwendet jungfräuliche Kaninchen, sind nach 4 Wochen wieder verwendbar), Hogben-Test (6-24 Stunden, Frösche, nach 4 Wochen wieder verwendbar), Zondek-Sulman-Black-Test (2-8 Stunden, Ratten werden dabei getötet). Als unspezifisch und unverläßlich erwies sich hingegen der Versuch, eine Schwangerschaft mit Hilfe der Agglutinationsreaktion von Ruhr-Keimen (Bacterium dysenteria Flexner) und Cholera-Vibrionen nachzuweisen.
Weiterführende Literatur: Laboratoriumsdiagnostik, Verlag Urban & Schwarzenberg, 1953
Im Jahr 1951 legte ein Herr Hasenbein von der Uni Kiel einen ‚Schwangerschaftstest am Regenwurm’ vor. Warum er trotz der guten Resultate von 90 Prozent und der bekannten Anspruchslosigkeit von Regenwürmern nicht weiterentwickelt wurde, ist nicht überliefert.
Weiterführende Literatur: Archiv für Gynäkologie, 181, 15-28 (1951)
In Frankreich war bis ins 18. Jahrhundert die so genannte ‚Knoblauchprobe‘ weit verbreitet: Vor dem Zubettgehen steckt sich die Frau, die sich über ihren Zustand im unklaren ist, eine Knoblauchzehe in die Scheide. Wenn sie am Morgen den typischen Geruch ausatmet, kann sie nicht schwanger sein. Denn die Anwesenheit eines Embryos würde eine solche Ausbreitung durch den Körper verhindern. Ein frischer Atem ist der Beweis, dass die Frau befruchtet ist. Diese Vorstellung war umso überzeugender, als die Knoblauchzehe wegen ihrer Form vielfach als Symbol des zusammengekauerten Fetus gilt.
Aber auch die Augen gaben Hinweise auf eine Schwangerschaft: „Im zweiten Monat,“ schrieb der Geburtshelfer Jacques Guillemeau, „bekommt sie tiefliegende stumpfe Augen mit kleinen Pupillen, schlaffe und hängende Lider, und die Äderchen in den Augenwinkeln sind dicker und geschwollener als sonst.“ Außerdem verändere sich ihr Blick: „Wenn es auf keine andere Weise zu sehen ist, daß eine Frau schwanger ist, sagen es Dir ihre Augen“. Im Auge spiegelt sich die Schwangerschaft.
Und die populäre Geburtshelferin Louise Bourgeois erläuterte 1626: „Die Hebamme kann vorsichtig fühlen, ob die Gebärmutter fest geschlossen ist, wie der Hintern eines Huhns, in den man kein Weizenkorn stecken könnte.“
Weiterführende Literatur: Jacques Gélis: Die Geburt – Volksglaube, Rituale und Praktiken von 1500 bis 1900
Im alten Ägypten ließ man die Frau einen Brei aus Bier und Datteln essen. Wurde ihr daraufhin furchtbar schlecht und begann sie zu erbrechen, zählte das als Schwangerschaftsbeweis. Die Ablehnung starker Gerüche und ein flaues Gefühl im Magen gilt ja auch in der heutigen Zeit als sicheres Zeichen einer Schwangerschaft. Ein anderer altägyptischer Test bestand darin, Weizen- und Gerstenkörner mit dem Harn der vermutlich schwangeren Frau zu gießen: Gutes Wachstum der Gerste sagte einen Sohn voraus, gutes Wachstum des Weizens kündigte die Geburt einer Tochter an. Wächst weder noch, dann ist die Frau nicht schwanger. Eine wissenschaftliche Überprüfung dieser Testanordnung im Jahr 1963 erbrachte eine 70prozentige Trefferwahrscheinlichkeit.
Weiterführende Literatur: Europ. J. Obst. Gyn. Repr. Biol. 123 (2005) 3-8
Ab 1960 wurden die ersten immunologischen Testverfahren zur Bestimmung des Schwangerschaftshormons hCG durch eine biochemische Methode eingeführt, waren aber noch nicht sehr spezifisch, sodaß falsche Resultate häufig waren. Um dies zu verhindern, mußte die Frau bis 2 Wochen nach Ausbleiben der Regel mit dem Test warten, weil erst dann die hCG-Werte hoch genug für eindeutige Aussagen waren. Ein entscheidender Durchbruch zur raschen und sicheren frühzeitigen Schwangerschaftsbestimmung gelang erst ab 1975 mit monoklonalen Antikörpern, weil damit erstmalig verlässlich zwischen dem Schwangerschaftshormon hCG und dem Hypophysenhormon LH unterschieden werden konnte. Damit konnte dann endgültig auf die Verwendung lebender Tiere zum frühzeitigen Nachweis einer Schwangerschaft verzichtet werden.
Im neugegründeten Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in Wien sehen wir es als eine unserer Aufgaben an, auch die Geschichte des Schwangerschaftstests zu dokumentieren. In diesem Zusammenhang bittet wir alle Leserinnen und Leser um Mithilfe: Wer hat noch Dokumente, Bilder, Aufzeichnungen, Inserate/Ankündigungen, Artikel, Erinnerungen etc. vor allem an den Froschtest, der bis in die Siebzigerjahre der weithin gebräuchliche und verlässliche Schwangerschaftstest war?