Dezember 2006
Liebe FreundInnen des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch,
‚Obgleich jeder Fremdkörper im Uterus eine gewisse kontrazeptive Wirkung hat, ist die Wirksamkeit kupferhaltiger Intrauterinpessare zur Empfängnisverhütung um ein Vielfaches größer als die eines einfachen Kunststoffkörpers.’ Dieses Zitat von 2002 stammt aus der (international einheitlichen) ÖNORM EN ISO 7439 für kupferhaltige Intrauterinpessare (IUD) zur Empfängnisverhütung (zum Einmalgebrauch) und für die zugehörigen Einführinstrumente.
Die verhütende Wirkung von Fremdkörpern in der Gebärmutter war es tatsächlich, die zur Entwicklung der ‚Spiralen’ führte: Bereits 1890/1900 diskutierten Ärzte darüber, daß Frauen mit Polypen in der Gebärmutter kaum schwanger wurden. Doch schien Ärzten die Schwangerschaftsverhütung bei gesunden Frauen lange Jahre unethisch und un-ärztlich. Zwar bekamen kranke, körperlich schwache Frauen den medizinischen Rat, möglichst nicht schwanger zu werden, doch wie sie das anstellen sollten, wurde ihnen nicht gesagt. In diesem Vakuum wurden Drogisten, Friseure, reisende Händler etc. tätig und verkauften allerhand Hilfsmittel.
1909 beschrieb Dr. Richard Richter aus Schlesien jedoch auch die soziale und wirtschaftliche Notwendigkeit für die Begrenzung der Kinderzahl. Er schreibt: „Wer das Leben kennt, wie es sich bietet, weiß, daß Hunderte von Familienmüttern ihrer Gesundheit und ihrem Lebensglück fast alljährlich Opfer bringen, die schwer zu verantworten sind.... Im Lichte der Zahlen, die ich einmal aufgenommen habe, stellen aber die Verdienste als unnütze Opfer sich dar, wenn mehr als die Hälfte aller rechtzeitig geborenen Kinder, ungerechnet die Aborte, frühzeitig stirbt. In solchen Fällen ist die willkürliche Beschränkung der Nachkommenschaft eine gesundheitliche und sittliche Forderung...“
Um den Frauen zu helfen, entwickelte Richter zur Verhütung die Einlegung von geflochtenen Seidenfäden in die Gebärmutter. Die Fäden sind an den Enden verknotet und zur Vermeidung von Reizungen mit Zelluloid überzogen. Damit sie später leichter entfernt werden können, sind sie mit feinem Aluminium-Bronzedraht zusammengehalten.
Walter Pust, Leitender Arzt der Frauenklinik Jena, stellte im Jahre 1920 einen anderen ‚brauchbaren Frauenschutz’ vor, der aus einem Glasknopf, einem ‚Hals’ aus 30 Wicklungen von Seidenfaden sowie einer Schleife daraus bestand. Er behindert die Periode nicht und war alle 3 bis 4 Monate auszutauschen. 1923 waren in Deutschland davon bereits 23 000 Stück in Gebrauch. Angesichts dieser hohen Zahl ist anzunehmen, daß es sich nicht ausschließlich um kranke und gebärunfähige Frauen handelte. Dennoch stellt Pust diese in den Mittelpunkt: „Solange die Verhütung einer Schwangerschaft bei kranken und gebärunfähigen Frauen zum Pflichtenkreise des Arztes gehört, so lange ist es auch eine ärztliche Aufgabe, an der Ausarbeitung und Erprobung dieser Methode mitzuwirken.“
Die Wirkungsweise seiner Entwicklung dachte sich Pust folgendermaßen: „Der Glasknopf lenkt die Spermatozoen von dem alkalischen Schleimpropf ab und setzt sie der Wirkung des sauren Scheidensekrets so lange aus, daß nur sehr wenige die Innenseite erreichen. Im Zervixkanal müssen diese, nachdem sie bereits in ihrer Vitalität geschwächt sind, die 30 Querwicklungen überwinden. Gelangen sie dennoch bis in die Uterushöhle, so unterliegen sie hier der Adhäsionswirkung der klebrigen, gequollenen Seidenfäden, sodaß eine Vereinigung mit dem Ei ausgeschlossen erscheint.“ Diese ersten Versuche hatten den Nachteil, als Infektionsbrücke zwischen Gebärmutter und Scheide zu fungieren. Außerdem waren sie zu groß, so daß es oft zur Ausstoßung kam.
Die nächsten wichtigen Personen in der Entwicklungsgeschichte der Spiralen sind der Deutsche Ernst Gräfenberg und der japanische Arzt Tenrei Ota. Der durch die Entdeckung des weiblichen G-Punktes populär gewordene Gräfenberg berichtete bereits 1928 über seine Erfolge mit Spiralringen (deshalb ´Spirale´) aus Seidenfaden, dem noch nicht gesponnenen Spinnprodukt der Seidenraupe bei 480 Frauen. In 150 weiteren Fällen kam ein spiralenartiger Ring aus Silberdraht zur Anwendung. Die Bilanz war glänzend: Weniger als 1 Prozent der Frauen wurde schwanger. Heute wissen wir, was Gräfenberg nicht wusste: Sein Metall wies einen hohen Kupferanteil auf. Kupfer macht die Spermien befruchtungsunfähig und hat so zur hohen Wirksamkeit von Gräfenbergs Intrauterinpessaren beigetragen. Doch es gab ein anderes Problem: Der ´Gräfenberg-Ring´ war nur sehr schwer wieder zu entfernen. Die nationalsozialistischen Machthaber hatten an Verhütung gar kein Interesse – ganz im Gegenteil. Gräfenberg musste seine Testreihen daher abbrechen und konnte 1940 mit knapper Not in die USA ausreisen.
Doch der Gräfenberg-Ring überlebte in Japan. Tenrei Ota verwendete Gold und Silber und fügte eine starre Mittelscheibe in den Ring, um die Ausstoßung zu verhindern. Ota-Ringe und Gräfenberg-Ringe sind im Fernen Osten immer noch mit Erfolg in Gebrauch.
Der nächste wesentliche Entwicklungsschritt kam aus den USA: Der New Yorker Gynäkologe Lazar Margulies entwickelte 1958 erstmals eine biegsame Plastik-Spirale. Diese Form hatte letztlich aber keine besonderen Vorteile. Doch auch sie könnte der Namensgeber für die ‚Spirale’ gewesen sein.
Erst seit 1964 ist der Rückholfaden in Gebrauch. Jack Lippes knotete ihn an seinen Lippes´ Loop, die am meisten angewendete reine Plastikspirale, bevor die Vorteile von Kupfer bekannt waren. 1969 entdeckte der Chilene Jaime Zipper die Wirkung von Kupfer: Die fortlaufende Freisetzung von Kupferionen macht die Spermazellen befruchtungsunfähig. Deshalb ist mit den so genannten ‚Kupferspiralen’ auch die Rate der Schwangerschaften außerhalb der Gebärmutterhöhle (extrauterine Schwangerschaften, Eileiterschwangerschaften) sehr gering.
Die Spiralen ohne Kupfer wirkten lediglich als Fremdkörper und verhinderten die Einnistung einer befruchteten Eizelle. Das Hinzufügen von Kupfer macht die Spiralen wirksamer und schützt zusätzlich vor Eileiterschwangerschaften.
Eine ungenügend untersuchte und vorschnell auf den Markt gebrachte Spirale wurde Anfang der 1970er vielen Frauen in den USA zum Verhängnis. Und zwar war das so possierlich aussehende ´Dalkon Shield´ wegen seiner Größe schwer zu entfernen. Deshalb hatte es einen geflochtenen Rückholfaden. Da das Dalkon Shield wenig wirksam war, wurden viele Frauen schwanger. Bei der Schwangerschaft wurde die Spirale mit dem Faden und den darauf wachsenden Bakterien in die Gebärmutter hinaufgezogen. Das unzureichend getestete schildförmige Pessar führte zu Fehlgeburten und schweren Eileiterentzündungen und wurde sehr schnell vom Markt genommen. Alle anderen Spiralen haben einen dünnen einsträngigen Faden, bei dem das nicht passieren kann.
Heute sind Spiralen weltweit die zweithäufigste Verhütungsmethode nach der Sterilisierung: rund 160 Millionen Frauen verwenden sie, vor allem in China, weil sie hohe Sicherheit (geringe Schwangerschaftsrate und geringe Ausstoßungsrate), lange Anwendungsdauer und geringe Kosten vereinen. Seit mehr als 20 Jahren werden nur noch die modernen Spiralen angewendet, die mit einem feinen Kupferfaden umwickelt sind. Leider hält sich immer noch die falsche Auffassung, dass Spiralen die Einnistung einer befruchteten Eizelle verhindern; das traf lediglich auf die reinen Plastikspiralen zu, die längst von den modernen Spiralen abgelöst wurden.
Jack Lippes, der Erfinder der früher am häufigsten angewendeten Spirale, entdeckte bereits 1976, dass eine Spirale auch zur Notfallverhütung nach ungeschütztem Verkehr angewendet werden kann, wenn es bereits zu einer Befruchtung gekommen ist, Die Spirale verhindert in diesem Fall als Fremdkörper die Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter.
Trotz der großen Fortschritte in der Entwicklung von Spiralen wird weiter geforscht; immer wieder kommen verbesserte Modelle auf den Markt.
• So zum Beispiel die Hormon-abgebende Spirale Mirena®. Von ihr wird eine sehr geringe Menge Gelbkörperhormon abgegeben. Diese Spirale ist ebenfalls 5 Jahre lang wirksam und führt zu einer deutlich schwächeren Menstruationsblutung. Bei einigen Frauen bleibt die Blutung sogar ganz aus. Dies ist aus medizinischer Sicht positiv und ohne negative Folgen.
• Eine besonders gut verträgliche rahmenlose Spirale (Gynefix®) entwickelte 1984 der Belgier Dirk Wildemeersch: Ein Nylonfaden wird in der Wand der Gebärmutter verankert; auf ihm sind kleine Kupferhülsen aufgefädelt. Da sich der Faden sehr gut an die Form der Gebärmutter anpasst, kommt es seltener zu Nebenwirkungen.
Noch ein Aberglaube hält sich hartnäckig: Nämlich daß Araber zur Empfängnisverhütung Steine in die Gebärmütter ihrer Kamelstuten einlegen oder in grauer Vorzeit eingelegt hätten und sich daraus die Spiralen von heute ableiten. Die belustigte Antwort von Kamelkennern: „Versuchen Sie einmal, einer Kamelstute irgendetwas in die Gebärmutter zu legen. Dann werden Sie es schon sehen!“
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Leider mussten wir die Eröffnung des Museums bereits mehrfach verschieben, da wir das Ausmaß der notwendigen Arbeiten unterschätzt hatten. Nun sind die Module des Museums so gut wie fertig und wir sind zuversichtlich, dass wir ab dem 16. März 2007 offen halten können. Angemeldete Schulklassen werden schon jetzt durch das Museum geführt.