Frauenrechte in Irland: Ein Schandfleck auf der Landkarte
Pionier der Familienplanung gestorben
Bis heute ist in Irland der Abbruch verboten, Ausnahmen gibt es nicht einmal nach Vergewaltigung von Kindern oder Jugendlichen. Auch Polen und Malta (sowie der Vatikan und San Marino) verweigert seinen Frauen noch die Selbstbestimmung bzw. zwingt sie zur heimlichen Fahrt ins Ausland. In Portugal wurde der Abbruch erst vor wenigen Monaten liberalisiert. In allen anderen westeuropäischen Ländern erfolgte die Legalisierung zwischen 1970 und 1980.
Einer der unermüdlichen Kämpfer für die Freigabe von Verhütungsmitteln und Schwangerschaftsabbruch in Irland starb dieser Tage hochbetagt: der irische Gynäkologe Dr. Michael Joseph Maurice Solomons (1919 – 2007).
Als junger Arzt in Dublin erlebte Solomons zahlreiche so genannte ‚grand multiparas’, Frauen mit sieben oder mehr Schwangerschaften. Die kurz aufeinander folgenden Schwangerschaften verursachten nicht selten schwerwiegende Gesundheitsschäden der Mütter. Solomons erzählte beispielsweise von einer 26-Jährigen Frau, die bei ihrer sechsten Schwangerschaft blind wurde; im Jahr darauf war sie neuerlich schwanger. Verhütung war verboten – sowohl durch den Staat als auch durch die Kirche. Daher bedeutete eine neue Schwangerschaft für manche Frauen das Todesurteil. Innerhalb von drei Jahren starben in den späten 1940er-Jahren allein in 1 Spital 23 Frauen und 800 Babies.
Entgegen dem gesetzlichen Verbot begann Michael Solomons, Patientinnen über Verhütungsmöglichkeiten aufzuklären. Zusammen mit anderen Aktivisten eröffnete er im Jahr 1968 Irlands erste Familienplanungsklinik; nach 23 langen Jahren waren es schließlich 14.
Verhütungsmittel mussten eingeschmuggelt werden
Eine seiner Mitstreiterinnen war Máire Mullarney, selbst Mutter von elf Kindern, die sich anlässlich eines Portugalaufenthaltes vom Nutzen derartiger Kliniken überzeugt hatte. Gemeinsam gründete die Gruppe schließlich eine Firma, die Fertility Guidance Company Ltd. Obwohl sie offiziell weder werben noch Verhütungsmittel verkaufen durften, nahmen sie ihren Geschäftsbetrieb auf. Freunde schmuggelten Kondome, spermienabtötende Cremes und Diaphragmen ins Land; sogar seine fast 80-jährige Mutter und seine eben so alte Schwiegermutter halfen mit.
Noch Ende der 1950er-Jahre durfte ein Schwangerschaftsratgeber nicht in Irland verkauft werden, weil er sich unter anderem auch mit Familienplanungsfragen befasste. 1963 veröffentlichte Solomons ein Aufklärungsbuch, das nur deshalb verkauft werden durfte, weil es das Thema Verhütung ausließ. Erst 1980 wurden Kontrazeptiva zum Verkauf in Irland zugelassen, wenn auch anfangs unter extremen Einschränkungen.
1983 fand ein großer öffentlicher Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Gegnern der gesetzlichen Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches statt; trotzdem wurde das Verbot aufrechterhalten. Solomons führte die Ablehnung auf männliche Befürchtungen zurück, Frauen würden sich emanzipieren, wenn sie über den eigenen Körper bestimmen dürften.
Extremisten unter den Gegnern wollten sogar ein (Aus)reiseverbot für Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter erzwingen, damit sie nicht zum Abbruch ins Ausland reisen könnten. Anlassfall war das tragische Schicksal einer Vierzehnjährigen, die aufgrund einer Vergewaltigung durch den Vater ihrer besten Freundin schwanger geworden war. Sie hatte mit Hilfe ihrer Eltern einen Schwangerschaftsabbruch in England vereinbart. Als diese bei der Polizei nachfragten, ob es sinnvoll wäre fötales Gewebe für eine DNA-Analyse mitzubringen, um den Mann der Vergewaltigung zu überführen, untersagte die Polizei dem jungen Mädchen die Ausreise. Dies löste einen gewaltigen Proteststurm aus; erst im letzten Moment erlaubte der Oberste Gerichtshof dem Mädchen schließlich, das Land zu verlassen, um einen Abbruch durchführen zu lassen.