Ab 7. März: Ungewollte Schwangerschaft auf der Theaterbühne
Ödön von Horvath beschrieb Alltagswirklichkeit
„Gott ist mein Zeuge, dass ich nie ein Kind hab haben wollen, das hat nur sie haben wollen,“ wird Alfred (Marcello de Nardo) ab 7. März im Volkstheater sagen. Und fortsetzen: „.... und dann ist es halt so von allein gekommen. Ich wollt es ja gleich stante pede wegmachen lassen, aber sie hat sich schon direkt fanatisch dagegen gesträubt, und ich hab schon sehr energische Seiten aufziehen müssen, bis ich sie endlich soweit gehabt hab, dass sie sich der Prozedur unterzieht...“ Ödön von Horvath musste 1931 in seinen ‚Geschichten aus dem Wiener Wald’ nichts erfinden, denn es war Alltagswirklichkeit.
Da der Abbruch nicht funktionierte, muss Marianne (Katharina Vötter) ihr Kind zur Welt bringen und gibt den kleinen Leopold in Pflege, wo er bald darauf stirbt. Erni Mangold als Großmutter wird einen Brief an Marianne diktieren: „Wertes Fräulein! – Jawohl: Fräulein! – Leider müssen wir Ihnen eine für Sie recht traurige Mitteilung machen. Gott der Allmächtige hat es mit seinem unerforschten Willen so gewollt, dass Sie wertes Fräulein kein Kind mehr haben sollen. Das Kind hat sich nur etwas erkältet, und dann ist es sehr schnell dahingegangen – Punkt. Aber trösten Sie sich, Gott der Allmächtige liebt die unschuldigen Kinder. Punkt. Neuer Absatz......“
Für die Regelmäßigkeit derartiger ‚Problemlösungen’ lassen sich viele Beispiels finden, so etwa ein burgenländisches Sterberegister: „...ab 1859 sind in den Sterbematrikeln Pflegekinder aus Wien, Graz und anderen Städten angeführt. Selbst kinderreiche Familien nehmen häufig Pflegekinder auf, was zum Teil wohl auf die finanziellen Zuwendungen zurückzuführen sein dürfte... Diese zumeist unehelichen Kinder müssen sich in einer außerordentlich schlechten körperlichen Verfassung befunden haben, weil sehr viele von ihnen bereits kurz nach ihrer Ankunft... starben.“
70 Jahre danach ist noch nichts ‚in Butter’
Wer seinen Theaterbesuch mit einem Ausflug ins Wiener Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch kombiniert, wird schnell sehen, wie aktuell Horvaths Stück heute noch ist:
So zeigt beispielsweise ein Kostenvergleich der FIAPAC*, dass die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch innerhalb der EU extrem unterschiedlich sind: Die Preise liegen zwischen € 20 und € 800. In Österreich sind sie unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten am teuersten und belaufen sich auf € 295 bis € 800.
Weiters bestehen in Europa große Unterschiede bezüglich der Kostenübernahme: In allen westeuropäischen Ländern, in denen der Abbruch legal ist, übernehmen die Krankenkassen die Kosten zur Gänze oder zumindest zum Großteil. Nur in Österreich, der Slowakei und Litauen müssen die Frauen den Eingriff zur Gänze selbst bezahlen, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. In einigen wenigen europäischen Staaten ist der Abbruch immer noch verboten: Irland, Malta, Polen, San Marino, Vatikan. (*FIAPAC ist eine Vereinigung von Fachkräften für Schwangerschaft und Verhütung, www.fiapac.org)
Im Gegensatz zu den meisten anderen westeuropäischen Ländern erschwert Österreich außerdem den Zugang zur ‚Pille danach’. Diese Notfallsverhütung wird beispielsweise in Frankreich von den Krankenschwestern der Schulen ausgegeben; bei uns ist hingegen ein ärztliches Rezept sowie der Gang in die Apotheke nötig, was am Wochenende und in ländlichen Gebieten oft schwierig ist.
Das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch dokumentiert erstmalig und einzigartig in Österreich und weltweit die Auswirkungen, die die soziale, gesellschaftliche, medizinische und historische Entwicklung von Verhütung und Abbruch auf das Leben betroffener Frauen und Paare hatte und hat. Besonderes Augenmerk wird dabei auch der Sammlung, Konservierung, Dokumentation und Ausstellung der unzähligen spezifisch österreichischen Beiträge geschenkt.
Quelle:
Jennersdorf - Porträt einer Grenzstadt, o. J. (1977), S. 122