Erst die Hormongewinnung aus Pflanzen machte die ‚Pille’ möglich
Bis zum 20. Jahrhundert war die Methode der Verhütung im wesentlichen eine mechanische: Spermien und Eizellen wurden gegeneinander ‚abgeschottet’. Der Zugang zur Gebärmutter und dadurch zu den Eierstöcken wurde durch Kappen blockiert, Spermien wurden durch Kondome zurückgehalten, durch Spülungen heraus gewaschen, durch Pulversprays in ihrer Beweglichkeit behindert, durch gymnastische Verrenkungen herausgeschleudert, bereits eingetretene Schwangerschaften durch heftige Stöße oder künstliche Krämpfe vorzeitig beendet.
Erst das bessere medizinische Verständnis der Fruchtbarkeit von Frau und Mann brachte neue Ansatzpunkte für die Verhütung. Was Hormone sind und wie sie Körpervorgänge steuern, wurde ab Anfang des 20. Jahrhunderts erforscht. Allerdings wurde die Hormonforschung durch die Knappheit der Substanzen und die extremen Kosten ihrer Gewinnung gebremst. So mussten beispielsweise Millionen Hektoliter Harn von Mensch und Tier eingedampft werden, um wenige Mikrogramm der begehrten Substanzen zu erhalten.
Rohstoffknappheit zwingt zu neuen Wegen
So verfielen Wissenschafter auf die Idee, nach solchen pflanzlichen Hormonen Ausschau zu halten, die menschlichen Fruchtbarkeitshormonen möglichst ähnlich waren. Der amerikanische Chemiker Russell Marker konzentrierte sich auf das Hormon Progesteron, das gemeinsam mit dem Hormon Östrogen sowohl den Menstruationszyklus regelt als auch bei einer Schwangerschaft mitwirkt. Verschiedene Pflanzen enthalten Substanzen, die teilweise ähnlich sind.
Die Kunst besteht darin, die Ähnlichkeit der Moleküle zu verstärken und die Unterschiede zu eliminieren – mit möglichst wenigen zeitraubenden Arbeitsschritten und mit möglichst großer Ausbeute. Marker und andere Hormonforscher untersuchten viele verschiedene Pflanzen aus aller Welt und probierten in ihren Labors viele verschiedene ‚Kochrezepte’, um die beste Ausgangsbasis und das beste Verfahren zu finden. In einer der 600 bekannten Arten der Yams-Wurzeln (lat.: Dioscoreaceen) stieß Russell Marker auf die Substanz ‚Diosgenin’, die zwar vom menschlichen Körper nicht selbst zu Progesteron umgewandelt werden kann, sich aber im Labor relativ leicht umwandeln lässt. So war zwar ein viel versprechender Ausgangsstoff gefunden, aber die Ausbeute war mengenmäßig nicht befriedigend. Daraufhin durchsuchte Marker den amerikanischen Kontinent nach Pflanzen, aus denen sich größere Mengen von Diosgenin gewinnen ließen. Er stieß auf Yucca-Palmen, die wild in North Carolina wachsen und gerne in allerlei Hausmitteln gegen Menstruationsbeschwerden eingesetzt wurden. Später fand man Diosgenin beispielsweise auch in der Barbasco-Wurzel, in Bockshornklee, in der Sojabohne und im Fenchel. In fünf relativ einfachen chemischen Syntheseschritten kann daraus Progesteron gewonnen werden. Spätere Forscher wie beispielsweise Carl Djerassi & George Rosenkranz setzten seine Entwicklungsarbeit bis zu einem stabilen und viel wirksameren Wirkstoff fort, der außerdem den Vorzug hat, von den Magensäften nicht angegriffen zu werden. Erst dadurch wurde ‚die Pille’ möglich.