Muttersein ist eine Berufung; Berufung ist freiwillig
„Wie war es?“ flüsterte die Frau hinter dem Vorhang. Sie lag auf dem Nachbarbett und hatte den Schwangerschaftsabbruch noch vor sich, die französische Schriftstellerin Anais Nin (1903-1977) hatte ihn gerade hinter sich und konnte ihr davon berichten. Nin notierte in ihren Tagebüchern nicht nur ihr mitunter stürmisches Liebesleben sondern auch die Erfahrungen, Eindrücke und Gedanken, als sie sich in einer ‚unmöglichen’ Schwangerschaft befand.
Im April 1934 lieferte sie sich einer Engelmacherin aus - der Eingriff schlug jedoch fehl. Die Schwangerschaft blieb bestehen und endete mit einer Totgeburt. Im August 1940 war sie wiederum schwanger. Diesmal fand sie einen Arzt. Die damaligen medizinischen Methoden hätten eine Narkose erfordert, die der Arzt allerdings nicht durchführte.
Während sie selbst sich erholte, wurde die nächste Patientin vorbereitet. Anais Nin konnte hören, wie sie mit dem Arzt sprach. In ihrem Tagebuch spricht sie über die Ungerechtigkeit des von einer männlichen Gesellschaft aufgezwungenen Frauenschicksals, über das eingeimpfte schlechte Gewissen, die existenzielle Angst, den körperlichen und seelischen Schmerz. Sie schreibt über die demütigenden Tricks und lebensgefährlichen Risken, denen Frauen ausgesetzt sind, wenn sie jetzt kein Kind haben wollen. Sie fühlt sich überfordert, ausgeliefert, gejagt, verurteilt: „Ein Schwangerschaftsabbruch wurde zu einer Demütigung und einem Verbrechen gemacht. Warum soll das so sein? Muttersein ist eine Berufung wie jede andere. Sie sollte freiwillig gewählt sein, statt den Frauen aufgezwungen zu werden.“
Zum Weiterlesen: http://www.brainpickings.org/index.php/2014/06/11/anais-nin-abortion/
Einleitung:
Modell, Tänzerin, Schriftstellerin und Psychoanalytikerin und eine berühmte Tagebuchschreiberin war die Französin Anais Nin: „Das Tagebuch begann, eine belebende, lebenswichtige Bedeutung zu haben, die nichts mit Literatur zu tun hatte. Es wurde nicht nur ein Begleiter, damit ich nicht verloren war in einem fremden Land, dessen Sprache ich nicht sprechen konnte, sondern auch eine Quelle der Berührung mit mir selbst. Es war ein Ort, an dem ich die Wahrheit aussprechen konnte, und wo ich das Gefühl hatte, von niemandem beobachtet zu werden.“ Auch über ihre Schwangerschaftsabbrüche und über die aufgezwungene Mutterschaft sprach sie darin.