Schweiz: Die ‚Mutter der Fristenlösung‘ ist tot
Anne-Marie Rey 1937-2016, Frauenrechtlerin
Erst im Jahr 2002 wurde in der Schweiz die Fristenlösung eingeführt - rund 25 Jahre später als in Österreich und Deutschland. Im Gegensatz zu Österreich wird der Schwangerschaftsabbruch allerdings von der Krankenkasse bezahlt.
Dass die Fristenlösung überhaupt in der Schweiz eingeführt wurde, ist maßgeblich Anne-Marie Rey zu verdanken: Ihr Vater war selbst Frauenarzt, der wegen illegaler Abtreibungen zweimal verurteilt wurde. Er nahm auch bei ihr einen Schwangerschaftsabbruch vor, als sie viel zu früh ungewollt schwanger wurde. Ihre Verzweiflung, Ohnmacht, Wut über die ungewollte Schwangerschaft und das Ringen um die Freigabe des Schwangerschaftsabbruches beschrieb sie 2007 in ihrem Buch ‚Die Erzengelmacherin‘. Dieser Titel war ursprünglich der geringschätzige Kommentar eines konservativen Nationalrat-Abgeordneten über Reys Arbeit.
Rey studierte an der Dolmetscherschule der Universität Genf und absolvierte eine Tanzausbildung. 1971 gründete sie das Komitee, das die Eidgenössische Volksinitiative ‚für Straflosigkeit der Schwangerschaftsunterbrechung‘ lancierte, 1973 war sie Mitbegründerin der Schweizerischen Vereinigung für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs (SVSS). Es dauerte drei Jahrzehnte und vier Abstimmungskämpfe, bis der Abbruch bis zur zwölften Woche straffrei wurde.
Doch bei Frauenfragen, erkannte Rey, könne man nie davon ausgehen, dass einmal errungene Rechte für immer gelten. Im Jahr 2014 wollte die Volksinitiative ‚Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache‘ den Schwangerschaftsabbruch aus der Grundversicherung der Krankenkassen streichen: Wer abtreibt, sollte die Kosten selber tragen. Die Initiative wurde in einer Volksabstimmung deutlich abgelehnt.
Anne-Marie Rey sah die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch als wichtigen Schritt zur Gleichberechtigung der Frauen an: „Solange Frauen nicht frei über die Mutterschaft entscheiden können, so lange bleibt die Gleichberechtigung der Geschlechter ein Traum.“
Dank der Arbeit von Anne-Marie Rey und ihren MitkämpferInnen gehört die Schweiz heute zu den Ländern mit den niedrigsten Abtreibungsraten: Nur 1 von 10 Schwangerschaften wird abgebrochen; in den 60er-Jahren war es noch jede dritte.
Ihre jahrzehntelange intensive Lobbyarbeit erledigte sie neben ihrem Beruf als Übersetzerin, Haushalt und drei Kindern.
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