Regine Kapeller-Adler: (1900-1991)
Eine „sensationelle Entdeckung" nannte es das Neue Wiener Journal, einen „bedeutsamen Gewinn für die Frauenheilkunde und Geburtshilfe" Der Wiener Tag. Die Rede ist von einem neuen Schwangerschaftstest, der Ende Mai 1933 in der Wiener Biologischen Gesellschaft präsentiert worden war. Entwickelt wurde dieser Test von einer Frau - seltene Ausnahme unter all den männlichen Erfindern: Die Chemikerin Dr. Regine Kapeller-Adler (1900-1991), Assistentin am Institut für Medizinische Chemie der Universität Wien. Es handelte sich um eine Nachweismethode für die Aminosäure Histidin im Harn Schwangerer. Während sich histidinhaltige Harne durch diesen Test rötlich bis dunkelrot färben, werden histidinfreie Harne intensiv gelb (grünstichig) bis braun.
Ihre „sensationelle Entdeckung" war der damals gebräuchlichen Methode nach Zondek-Aschheim („A-Z-Test") in mehrfacher Hinsicht überlegen: Zum einen konnte sie wesentlich früher angewandt werden, nämlich bereits im zweiten Schwangerschaftsmonat. Zum zweiten erhielt man das Ergebnis nach nur vier Stunden, während die Durchführung des A-Z-Tests langwierig war und bis zu ihrer Ablesung rund hundert Stunden erforderte. Und schließlich nützte Kapeller-Adlers Entwicklung eine chemische statt einer biologischen Reaktion: Anders als beim A-Z-Test mussten daher keine Mäuse gezüchtet und geopfert werden, um das Ergebnis ablesen zu können.
Kapeller-Adlers Methode war ein wichtiger Schritt, aber noch nicht der endgültige Durchbruch zu den modernen Schwangerschaftstests. Es kam nämlich gelegentlich zu falsch-negativen Ergebnissen, bestehende Schwangerschaften wurden also in Einzelfällen nicht erkannt. Aus diesem Grund wurde ihr Test nicht allgemein eingeführt, von manchen Klinikern aber als Vorprobe genützt: War das Ergebnis positiv, war somit der Nachweis der Schwangerschaft gegeben; war das Ergebnis negativ, konnte man immer noch den aufwändigen A-Z-Test anschließen. Tatsächlich dauerte es dann noch bis Ende der 1950er-Jahre, bis die Tests an Tieren endgültig aufgegeben werden konnten. Auch die neuentwickelten immunologischen Schwangerschaftstests waren noch nicht perfekt und wurden schrittweise verbessert.
Da sich Kapeller-Adlers wissenschaftliches Interesse mit medizinischen Fragen beschäftigte, begann sie 1934 ein Medizinstudium, dessen letztes Rigorosum sie allerdings im März 1938 aus rassistischen Gründen nicht mehr ablegen durfte. Als Jüdin verlor sie auch ihre Anstellung, zuvor war ihr sogar von der Einreichung zur Habilitation als Chemikerin abgeraten worden, da ihre Chancen als Frau und Jüdin als gering eingeschätzt wurden. Auch ihr Mann, der Arzt Dr. Ernst Adler, verlor aus rassistischen Gründen seine Anstellung, wurde verhaftet, eingesperrt, schikaniert und gequält und entging nur knapp der Deportation in das KZ Dachau.
Die Entwicklung des Schwangerschaftstests erwies sich für die Familie als lebensrettend: Der Vorstand des Institute of Animal Genetics an der Universität Edinburgh bot ihr einen Arbeitsplatz am ersten und damals einzigen Pregnancy Diagnosis Laboratory in Großbritannien an. Von dort an konnte sie ihre akademische Karriere immer weiter fortsetzen und erhielt Anerkennung, Förderungen und Auszeichnungen. Im Juni 1973 wurde ihr das Goldene Ehrendiplom der Universität Wien überreicht.
Regina Kapeller-Adler hatte mit ihrem Test nicht den (möglichst frühzeitigen) Schwangerschaftsabbruch im Blick sondern die Situation in der normalen und in der toxämischen Schwangerschaft, einer für Mutter und Fötus gefährliche Komplikation. Durch die Erforschung und Beeinflussung der chemisch-pathologischen Veränderungen in der toxämischen Schwangerschaft wollte sie einen Beitrag zur erfolgreichen Entbindung eines gesunden Kindes leisten.