PRAKTISCHE ANWENDUNG VON KNAUSʼ FORSCHUNGSERGEBNISSEN
Die Entwicklung einer Methode zur Ausnützung der fruchtbaren und unfruchtbaren Tage war nicht Knausʼ ursprüngliches Forschungsziel. Stattdessen wollte er das wechselhafte Verhalten der menschlichen Gebärmutter verstehen. Bei einem Studienaufenthalt in Berlin konnte er im Röntgen beobachten, wie die Gebärmutter manchmal kräftige Bewegungen zeigt, an anderen Tagen hingegen schlaff und nahezu bewegungslos ist. Knausʼ geniale Forschungsleistung war die These über die Ursache dieses unterschiedlichen Verhaltens: Er sah einen Zusammenhang mit dem im Verlauf des menstruellen Zyklus zeitweise aktiven Gelbkörperhormons.
Dadurch konnte er das Rätsel lösen, an dem schon so viele Forscher gescheitert waren: In welchem Zusammenhang – zeitlich und inhaltlich – steht der Eisprung zur Menstruation? Seine Erkenntnis: Der Ovulationstermin erfolgt bei Frauen mit physiologischen Genitalfunktionen stets am 15. Tag vor Eintritt der Menstruation, unabhängig von ihrer Zyklusdauer. Damit brachte er die geltende Lehrmeinung zu Fall, wonach die Frau in der gesamten Zeit zwischen zwei Perioden befruchtet werden könne. Stattdessen gibt es bei der geschlechtsreifen Frau eine physiologische Sterilität.
VERHÜTUNGSMETHODE FÜR KATHOLISCHE EHEPAARE
Diese Erkenntnisse von Knaus und dem japanischen Gynäkologen Ogino Kyūsaku, der parallel zu ihm auf anderen Wegen zu ähnlichen Ergebnissen gekommen war, wurden schnell als Knaus-Ogino-Regel bekannt. Als Verhütungsmethode (das so genannte Tage zählen) wurde sie 1930 von Papst Pius XI. in seiner Enzyklika „Casti connubii“ für katholische Ehepaare zugelassen – wohl auch deshalb, weil er die nicht unbeträchtliche Fehlerquote dieser Methode als „Gottes Einflussnahme“ ansah. Knaus erfuhr viel Unterstützung durch die katholische Kirche. So erhielt er 1952 gemeinsam mit seiner Tochter eine Spezialaudienz bei Papst Pius XII., auf dem Sterbebett wurde ihm ein Segensschreiben von Papst Paul VI. überreicht und schließlich nahm sogar ein Vertreter des Vatikans an seinem Begräbnis teil. Für die kirchliche Hilfe zahlte Knaus aber auch einen hohen Preis, indem ihm nämlich eine Fortführung seiner Forschungen zur künstlichen Befruchtung untersagt wurde.
Knausʼ zweites großes Forschungsgebiet neben der Gesetzmäßigkeit des Menstruationszyklus betraf den Geburtsvorgang. Er kam zu dem Schluss, dass der Mechanismus des Geburtseintritts ein fein abgestimmtes Spiel und Gegenspiel von Hormonen des Gelbkörpers, der Hirnanhangsdrüse sowie der Plazenta und deren verschiedenen Einflüssen auf die Muskulatur der Gebärmutter ist.
Für seine Forschungen wurde Knaus unter anderem zum Mitglied der Royal Society of Medicine in London sowie der Deutschen und der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe ernannt. 1957 wurde ihm der Orden Mérite Libanais Première Classe überreicht, 1962 erhielt er die Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold sowie den Wappenring der Stadt St. Veit an der Glan, 1964 wurde ihm das Ehrendoktorat der katholischen Universität Louvain (Belgien) verliehen.
KEIN BRAVER PARTEIGÄNGER
Politisch war Knaus ein „unzuverlässiges“ Mitglied der NSDAP (ab 1939), beschäftigte an seiner Klinik Juden, engagierte sich für jüdische Kollegen und war laut Einstufung für nationale Belange nicht „einsetzbar“. Zwei Parteigerichtsverfahren sollten ihn daher „maßregeln“: 1942 wegen eines Gutachtens über die katastrophalen Operationsergebnisse des Chirurgen und SS-Sturmbannführer Kurt Strauß sowie 1943 wegen eines als deutschfeindlich empfundenen Vorworts in seinem ab 1934 mehrfach aufgelegten Buch „Die periodische Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit des Weibes“ (englische Ausgabe 1934, spanische Ausgabe 1935). Knaus attackierte auch den nazitreuen Anatomen Hermann Stieve, allerdings nicht wegen dessen ethisch verwerflichen Forschungen an exekutierten Frauen, sondern wegen seiner wissenschaftlichen Methodik und den daraus resultierenden falschen Schlussfolgerungen. Knaus dachte nicht politisch und agierte kompromisslos gegen jedermann, wenn es um die Wissenschaft ging. Dadurch verbaute er sich auch Karrierechancen nach 1945, weshalb ihm in Österreich keine Position als Chef einer Universitätsklinik angeboten wurde.