Die gute Seite des Schlechten
Die gute Seite des Schlechten
Rund 10.000 Objekte beherbergt der durchschnittliche europäische Haushalt und eigentlich will man ja eh aufräumen, kommt aber nie dazu. Das hat sich „dank“ Corona geändert. Während Lockdowns, Quarantäne und Home-Office haben viele Menschen ihr Zuhause entrümpelt und sind auf mancherlei Dinge gestoßen, die zum Wegwerfen doch zu schade waren. Glück für uns, denn auf diese Art hat unser Museum insgesamt elf neue Objekte bekommen, von denen wir Ihnen heute zwei vorstellen wollen.
Cyclotest Frauenthermometer: Die Temperaturmessung
Dass nur wenige Tage innerhalb des weiblichen Monatszyklus fruchtbar sind, ist seit den 1920er-Jahren bekannt – dank der Forschungen des österreichischen Gynäkologen und Wissenschafters Prof. Hermann Knaus und seines japanischen Kollegen Kyusaku Ogino. Man wusste im Prinzip auch, welche Tage es sind – nämlich genau in der Mitte zwischen den Menstruationsblutungen. Aber der menschliche Organismus ist nun einmal störanfällig, sodass Vorhersagen nie hundertprozentig verlässlich sind. Wer aber jetzt-auf-keinen-Fall-schwanger werden will oder jetzt-endlich-endlich-schwanger werden will, braucht zusätzlich zum Tagezählen genauere Angaben. Dafür eignet sich die morgendliche Temperaturmessung, denn bei der fortpflanzungsfähigen Frau erhöht sich die Temperatur beim Eisprung um wenige Zehntelgrade.
Als Verhütungsmethode ist die Temperaturmessung nicht sehr praktikabel – denn sie erfordert einen ganz regelmäßigen Zyklus, einen gleich bleibenden Tagesablauf und ‚eisernen Willen' zur sexuellen Abstinenz an den ‚gefährlichen’ Tagen. Die Messung muss täglich zur selben Uhrzeit durchgeführt werde, vor dem Frühstück zwischen 6 und 8 Uhr, nach mindestens 6 Stunden ungestörtem Schlaf, immer mit demselben Thermometer und an derselben Mess-Stelle (oral oder rektal). Stress, Erkältungen oder Reisen können das Ergebnis beeinflussen.
Für die katholische Kirche sind das Tagezählen und die Temperaturmessung „erlaubte“ Methoden. Der katholische Pfarrer Wilhelm Hillebrand (1892–1959) aus Rott (Deutschland) war einer der ersten Befürworter dieser Methode: Er schrieb am 13. Dezember 1935, dass er 17 Frauen seines Sprengels mit der Messung der Aufwachtemperatur zur Sicherung der unfruchtbaren Tage vertraut gemacht und damit diese Art der natürlichen Empfängnisverhütung begründet hat.
Unser Neuzugang kam komplett mit Gebrauchsanweisung, Kurvenblättern zum Eintragen der Messwerte, Aufbewahrungsetui und sogar dem Kuvert (Poststempel vom 20. Oktober 1980).
Vagilen Vaginalzäpfchen: Fluortherapeuticum und Antikonzipiens (1970)
Sie enthalten Borsäure, Zitronensäure, saures Chininsulfat sowie Chinosol, deren bakterienhemmende Wirkung zur Behandlung von Scheidenentzündungen und Ausfluss genützt wurde. Es wurde auch als Verhütungsmittel verkauft und war von ca. 1910 bis 1974 am Markt. Während der NS-Zeit war der Verkauf wie für alle Verhütungsmittel verboten.
Prof. Tassilo Antoine 1895-1980, Chef der I. Universitäts-Frauenklinik in Wien, urteilte 1931 in einem Vortrag: „Derartige chemische Antikonzipientien sind nicht sicher. Schon deshalb, weil die einwandfreie Technik des Einführens, besonders dann, wenn die Frau es selbst machen muß, nicht so einfach ist. Dann wird sehr häufig die nötige Zwischenzeit von der Einführung bis zum Verkehr nicht eingehalten, sodaß die Mittel noch nicht gelöst sind. Trotz ihrer verhältnismäßigen Sicherheit werden die aus Cacaobutter oder Gelatine hergestellten Präparate von den Männern häufig abgelehnt, da sie das Vaginalrohr ungewöhnlich schlüpfrig machen, dadurch die Empfindung herabsetzen und auch nicht gerade ästhetisch in der Anwendung sind.“
Obwohl wir bereits über 2500 Objekte in unserer Sammlung haben, von denen rund 320 ausgestellt sind, freuen wir uns jederzeit über Neuzugänge!