Ein zynisches Zusammentreffen: Drei „Jubeltage“ im September
Wenn es nicht so ernst wäre, würde man gerne über diesen Zufall lachen: Am 27. September feiern wir den „World Tourism Day“. Er liegt genau zwischen dem „World Contraception Day“ (26. September) und dem „International Safe Abortion Day” (28. September).
Wir lesen in der Begründung: „Tourismus bringt den Gemeinden finanziellen Nutzen und trägt zur positiven sozialen, politischen und kulturellen Entwicklung bei. Kurz gesagt: Tourismus hilft jedem Land für eine bessere Zukunft.
Dazu fällt uns das Stichwort „Abtreibungstourismus“ ein:
Wir brauchen gar nicht bis in die USA zu schauen, wo sich die meisten Bundesstaaten nach dem Urteil des US-Höchstgerichts vor wenigen Wochen in ihren Beschränkungen, Erschwernissen und Verboten der Abtreibung geradezu übertrumpfen. So gelten beispielsweise in Texas die sogenannten Heartbeat-Laws, die Abtreibungen bereits ab der sechsten Schwangerschaftswoche verbieten, wenn zwar die Vorstufe des Herzens rhythmische Bewegungen erkennen lässt, es aber noch lange dauert bis ein funktionelles Herz vorhanden ist. Noch dazu wissen die meisten Frauen in der sechsten Woche noch gar nicht, dass sie schwanger sind! Viele weitere Staaten haben ähnliche Gesetze verabschiedet oder bereiten sie gerade vor. Vor allem im Landesinneren liegende und südliche US-Staaten sind betroffen, sodass auch eine „kurze“ Reise in eine Abtreibungsklinik in benachbarten Staaten nicht mehr möglich ist. Als Protest gegen das Urteil übernehmen jetzt private Unternehmen wie Apple, Netflix, Starbucks und Co die Reisekosten, wenn ihre Mitarbeiterinnen zu einem Schwangerschaftsabbruch in einen anderen Bundesstaat fliegen müssen.
Aber auch in vielen Staaten Europas müssen Frauen „touristische“ Reisen unternehmen, um dem immer noch herrschenden Verbot und Androhung einer Gefängnisstrafe zu entgehen (auch in Österreich sieht das Strafrecht immer noch 1 Jahr Gefängnis vor!!), sowie eine medizinisch sichere Beendigung ihrer Schwangerschaft zu erreichen oder sich zumindest aus der staatlichen Bevormundung zu befreien: So herrscht beispielsweise in Ungarn zwar theoretisch eine Fristenlösung bis zur zwölften Woche, doch muss die Frau zwei Pflichtberatungen über sich ergehen lassen, eine Wartezeit von 3 Tagen abwarten und sich zusätzlich ab sofort zuvor die Herztöne des Embryos in ihrem Bauch anhören. Ähnlich restriktive Bedingungen gelten in Deutschland während ein Abbruch in anderen europäischen Ländern gar nicht möglich ist, etwa in Polen.
Dieser „Tourismus“ ist übrigens auch in Österreich eine leidvolle Selbstverständlichkeit für Frauen, die weder in Wien noch in Salzburg wohnen. Im Burgenland und bald auch in Vorarlberg gibt es gar keine Möglichkeit für einen Schwangerschaftsabbruch, in anderen Bundesländern werden teilweise horrende Beträge verlangt (800€). Frauen müssen sich also an ihrer Arbeitsstelle einen Urlaubstag nehmen, die Kinder bei den Großeltern oder Nachbarn unterbringen, Geld für die Reise, für eine eventuelle Übernachtung und für den Eingriff locker machen und sich möglicherweise auch noch eine plausible Ausrede für ihr Fernbleiben einfallen lassen. Noch weiter geht die Reise für jährlich 100 bis 200 Frauen aus Österreich, denen Ärzte trotz dramatischer medizinischer Gründe einen Spätabbruch verweigern: Sie müssen nach Holland reisen, obwohl die österreichische Gesetzeslage ihnen den Eingriff erlauben würde.
„Reisegründe sind meist das schöne Wetter, Erholung, aber auch Natur und Kultur“ sagen die Erfinder des Welt-Tourismus-Tages. Stimmt natürlich, aber die zeitliche Nähe des „World Tourism Day“ zum „World Contraception Day“ und zum „International Safe Abortion Day” kann einem auch bitter aufstossen: Unsere Mütter und Großmütter erinnern sich noch schmerzhaft an den „Abtreibungstourismus“ vor der Einführung der Fristenlösung im Jahr 1975, als viele von ihnen nach Ex-Jugoslawien oder Ungarn fahren mussten, um eine ungewollte Schwangerschaft beenden zu können. Mehr dazu auf https://www.muvs.org/de/themen/videos/abtreibungstourismus/ .