Zwei Fragen zur Abtreibungsstatistik in Österreich
Erste Frage: Warum gibt's keine?
Das Thema Schwangerschaftsabbrüche ist ein „blinder Fleck“ in Gesundheitsstatistiken, nicht erst seit heute:
So versuchte etwa eine Untersuchung im Jahr 1982 – also kurz nach Einführung der Fristenlösung –, erstmalig direkt von Frauen durch Fragebögen Informationen zu erhalten. Doch es funktionierte nicht: Nur ganz wenige Frauen bekannten sich zu einer Abtreibung. Danach wären es nur 1.000-2.000 Abbrüche pro Jahr gewesen.[1]
Eine wissenschaftlich basierte Schätzung aus der gleichen Zeit kam hingegen zur Schlussfolgerung: „ 67.000 Eingriffe pro Jahr müssen als einigermaßen genaues Minimum betrachtet werden“.[2]
Aktuell beträgt die Zahl in Österreich schätzungsweise 25.000 bis 30.000.
Zwar gibt es in anderen Ländern West-Europas ein Meldesystem und Statistiken zum Abbruch. Allerdings unterliegen die Meldungen dem gleichen Problem der Zuverlässigkeit und damit sehr großen Schwankungen.
Zweite Frage: Wofür würde eine Abbruch-Statistik eigentlich nützen?
Abbruch-Statistiken sollen Verbesserungen ermöglichen, z.B. die Versorgung von Frauen verbessern oder die Abtreibungszahlen senken. Dazu gibt es eine effektivere Methode als unglaubwürdige Statistiken: Gar nicht erst ungewollt schwanger werden! Mit anderen Worten: die regelmäßige Anwendung wirksamer Verhütungsmittel. Das hat in der Vergangenheit exzellent funktioniert, als in den 1960er-Jahren durch die Einführung der Pille und anderer effektiver Verhütungsmittel die damaligen Zahlen von bis zu 300.000 Abbrüchen pro Jahr auf weniger als ein Zehntel „hinuntergerauscht“ sind. Natürlich spielten auch (bessere) Aufklärung und die Ent-Tabuisierung unehelicher Geburten eine große Rolle.
Aber immer noch gibt es zu viele Schwangerschaftsabbrüche, wenngleich sich die Zahl nie auf Null senken lässt.
Doch die Kostenübernahme für Verhütungsmittel durch die Krankenkassen würde die Anzahl ungewollter Schwangerschaften wesentlich verringern, und zwar um rund ein Drittel, also rund 10.000 (Zahlen aus dem Österreichischen Verhütungsreport)[3]. Wichtig wäre auch die Kostenübernahme für ärztliche Beratung, damit Ärzte mit ihren Patientinnen vermehrt über die verschiedenen Methoden zur Verhütung sprechen können. Die Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln hängt aber auch von lokalen/regionalen und weltanschaulichen Parametern innerhalb der Gesundheitsversorgung ab: Obwohl es sich dabei tatsächlich um Verhütung (und nicht um Abtreibung!) handelt, ist z.B. die „Pille danach“ in Städten leichter zu bekommen als am Dorf.
Und schließlich gibt es noch eine weitere „Schraube“, an der gedreht werden könnte: Die Möglichkeit, Spermien einfrieren zu lassen als Maßnahme zur Propagierung der Vasektomie. Derzeit muss eine Indikation vorliegen (z. B. Krebs) und das Einfrieren ist teuer. (ca. € 400 pro Jahr)
„Natürliche“ Verhütung? Im Gegenteil – die Natur will sich fortpflanzen
So schön das Stichwort „natürliche“ Verhütung klingen mag - „natürlich“ oder „naturgewollt“ sind halt durchschnittlich 12-15 Schwangerschaften pro Frauenleben. Gewiss: Manche Paare schaffen die Zwei-Kind-Familie mit Tagezählen, täglichem Temperaturmessen etc., aber die meisten schaffen es nicht – zahlreiche ungewollte Schwangerschaften sind die Folge.
Auch das vielgepriesene Kondom ist weder sexy noch praktisch. So macht es Sinn, sich die Effizienz der einzelnen Verhütungsmittel genau anzuschauen. Am besten mittels des Pearl-Index, der objektiv berechnet, wie viele Schwangerschaften in 100 Verhütungsfrauenjahren eingetreten sind. Der so genannte ‚praktischePearl-Index‘ gibt Auskunft darüber, wie Frauen/Paare tatsächlich mit einer bestimmten Methode zurechtkommen. Zum Beispiel Kondom: Der Prozentsatz von ungeplant schwanger gewordenen Frauen im ersten Jahr der Kondomverwendung liegt ‚theoretisch’bei 5, aber ‚praktisch’bei 21 – vergleichbar den Zahlen für den Coitus interruptus, also dem „Rückzieher“ vor einem Samenerguss. Die Werte für die Pille liegen ‚theoretisch‘ bei 0,3, ‚praktisch‘ bei 8, also deutlich darunter.[4]Dennoch wird das Kondom beispielsweise in Schulen (von Lehrpersonen, meist in stabilen Partnerschaften) immer noch als geeignetes Verhütungsmittel kommuniziert, obwohl es gerade für Jugendliche im sexuellen Experimentierstadium besonders risikobehaftet ist.
Keine Frau sich entschließt leichtfertig zur Beendigung ihrer Schwangerschaft und viele „kauen“ noch lange an ihrer Entscheidung. Wer ihnen wirklich helfen will, sollte (erfolgreiche) Verhütungsmethoden kostenfrei zugänglich machen statt nach sinnlosen Statistiken zu rufen.