Verhütung für Männer kommt nur schleppend voran
Seit Anfang der 1990er-Jahre kennen wir den Begriff „Geschlechterdemokratie“. Ein Beispiel dafür war die Kampagne „Ganze Männer machen halbe-halbe“ der damaligen SPÖ-Frauenministerin Helga Konrad im Dezember 1996: Darin ging es um die gerechte Aufteilung von Hausarbeit, Kinderbetreuung und der Pflege von Angehörigen.
Nachholbedarf hat die „Geschlechterdemokratie“ jedoch immer noch im Bereich von Verhütung. Diesmal zu Lasten der Männer. Während Frauen unter einer Fülle von Methoden für die Familienplanung auswählen können, gibt es für Männer nur das Kondom und den Coitus Interruptus (‚Aufpassen‘), also das zeitgerechte Herausziehen des erigierten Penis aus der Vagina. Und als endgültige Alternative die Vasektomie (=Sterilisation).
So sind die Männer hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit also vom Gutdünken und goodwill der Partnerin abhängig. Ist das ein Problem? Laut Österreichischem Verhütungsreport 2019 nehmen Männer die eingeschränkte Kontrolle über die eigene Fruchtbarkeit meist resignativ zur Kenntnis, weil es sich ohnehin nicht ändern lässt. Frauen hingegen denken häufig, dass Männern diese Situation recht sei oder sie ohnehin nicht darüber nachdenken.
Doch was, wenn es sich ändern ließe, wenn also moderne und verlässliche Verhütungsmittel für Männer zur Verfügung stünden? Würden sie eine neue Methode überhaupt anwenden wollen? 39% der befragten Männer würden eine wirksame reversible Methode anwenden, 40% sind sich nicht sicher und 21% lehnen dies ab. Besonders groß ist die Zustimmung unter denjenigen, die bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben (53%), die also gegen ihren Willen Vater geworden sind oder beinahe geworden wären.
Kann man sich bei der Verhütung auf Männer verlassen?
Was würden Frauen davon halten, wenn Männer entsprechende Möglichkeiten hätten. Wer wäre dann für die Familienplanung zuständig? 59% der befragten Frauen würden trotzdem lieber selbst verhüten, weniger als die Hälfte würde sich auf die Verhütung durch den Partner verlassen. Das sind vor allem Frauen in stabilen Beziehungen (44%), Frauen älter als 30 Jahre (46%) und Frauen mit hohem Bildungsniveau (47%). Die Pille für den Mann wäre also für die meisten Frauen nicht akzeptabel, denn wenn er auf die Einnahme vergisst, ist ja sie es, die schwanger wird.
Die Entwicklung von wirksamen reversiblen Methoden für Männer ist trotz intensiver Forschung bisher erfolglos geblieben. Und dafür gibt es hauptsächlich biologische Gründe: Während bei der Frau (nur) ein Eisprung im Monat verhindert werden muss, geht es beim Mann um die Produktion von Hundert Millionen Spermien pro Tag. Nicht nur das: Spermien sind sehr zäh und langlebig und zur Befruchtung genügt bereits ein Spermium. Die biologische Hürde ist also ungleich höher. Um die tägliche Einnahme zu vermeiden und die damit verbundenen Probleme - wie Vergessen -, geht die Forschung eher in Richtung Langzeitmethoden. Zum Beispiel ein Stäbchen, ein Implantat, wie man es aus der weiblichen Verhütungspraxis kennt, das für einige Jahre wirkt. Oder eine Drei-Monats-Spritze, an die man nicht täglich denken muss. Die Fülle aktueller Forschungsansätze läuft u.a. im International Consortium on Male Contraception zusammen, an dem auch Österreich beteiligt ist, www.ic-mc.info.
Eine gute Lösung wird gesetzlich blockiert
Doch bis es soweit sein wird, könnte man relativ leicht eine sinnvolle Option für den Mann schaffen: Nötig wäre nur eine Gesetzesänderung. Wenn man seine Spermien einfrieren lassen dürfte, wäre die Endgültigkeit der Vasektomie umgangen. Allerdings ist der Gesetzgeber in Österreich restriktiv: Nach dem Fortpflanzungsmedizingesetz vom August 2015 ist bei uns das Einfrieren von Spermien ohne medizinische Begründung verboten. Männer müssen dafür also in ein anderes Land fahren, und teuer ist es außerdem (Kosten für Vasektomie € 600 – 800 (einmalig), Kosten für Sperma-Einfrieren ca. € 500 (jährlich)).
Im Gegensatz zur österreichischen Ablehnung der Vasektomie steht die internationale Sicht: Jeden Herbst findet der Internationale Vasektomie-Tag statt. In Thailand wird jährlich am Geburtstag des Königs ein ‚Vasektomiefestival‘ begangen, bei dem Männer kostenlos und unangemeldet eine Sterilisation bekommen. Auch in den USA erlebt die Vasektomie gerade einen Boom, weil Schwangerschaftsabbrüche von immer mehr Bundesstaaten verboten oder extrem eingeschränkt werden. Die Kosten für Verhütung (und Abtreibung) werden in Österreich grundsätzlich nicht von den Krankenkassen übernommen, weder für Frauen noch für Männer. (Randbemerkung: Künstliche Befruchtung wird hingegen sehr wohl finanziert.)
A propos Kosten
Zurück zur eingangs erwähnten Kampagne „Ganze Männer machen halbe-halbe“: In den wenigsten Beziehungen kommen Männer für ihren Anteil an den Kosten für die Verhütung auf. Und wegen des Fehlens von Verhütungs-Alternativen hängt unsere Gesellschaft weiterhin alle Kosten für Verhütung den Frauen um, obwohl diese ja bekanntlich nicht alleine schwanger werden. In anderen Ländern werden die Kosten geschlechtergerecht seit langem über die Krankenkasse finanziert, was nach dem Österr. Verhütungsreport ca 1/3 der Abtreibungen verhindern würde. Als Gesellschaft müssen wir uns fragen, ist es uns das wert?
Quellen:
- Österreichischer Verhütungsreport 2019: Antworten von 881 Frauen und 901 Männern im Alter von 16–49 Jahren. Diese Stichprobe ist repräsentativ für Österreich.
- § 2b (1) Österreichisches Fortpflanzungsmedizingesetz vom August 2015: Samen, Eizellen sowie Hoden- und Eierstockgewebe dürfen auch für eine künftige medizinisch unterstützte Fortpflanzung entnommen und aufbewahrt werden, wenn ein körperliches Leiden oder dessen dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung entsprechende Behandlung eine ernste Gefahr bewirkt, dass eine Schwangerschaft nicht mehr durch Geschlechtsverkehr herbeigeführt werden kann.