Frankreich: Schwangerschaftsabbruch steht jetzt in der Verfassung
Frankreich hat klar Stellung bezogen: Jede Frau hat das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch innerhalb der vorgegebenen Frist. Das Besondere daran: Dieses Recht wurde in der Verfassung verankert. Eine große, überparteiliche Mehrheit stimmte dafür. Damit wurde für die Zukunft vorgesorgt, denn ein ‚bloßes Gesetz‘ könnte bei einem politischen Machtwechsel relativ leicht außer Kraft gesetzt werden, während für eine Verfassungsänderung mindestens eine Dreifünftel-Mehrheit erforderlich ist.
Was ist bei uns anders? Hier ist der Schwangerschaftsabbruch – immer noch – eine Gnade des Staates bzw. der politischen Parteien, die sich anmaßen, über das Leben der Frauen zu bestimmen. Aus diesem Grund steht die Abtreibung bei uns seit Kaiserin Maria Theresia immer noch im Strafgesetzbuch[1]: Sie wird mit bis zu 1 Jahr Gefängnis bestraft. Die Fristenlösung ist lediglich eine ausnahmsweise Freistellung von der Strafe, wenn sie durch eine Ärztin/einen Arzt innerhalb der erlaubten – man könnte auch sagen „geduldeten“ – Frist durchgeführt wird.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: 1 Jahr Gefängnis! Genau wie schwerer Raub, Nötigung oder Körperverletzung. Auch sie sind verboten und werden in Österreich mit (mindestens) 1 Jahr Gefängnis bestraft.
Dazu meint die Rechtshistorikerin Danijela Ilic: „ .. die Frage, ob abgetrieben werden darf oder nicht, [war] immer schon eine Herrschaftsfrage [...], und es griffen immer übergeordnete gesetzgebende Instanzen in diesen Bereich ein, um nicht dem Individuum die Entscheidung selbst zu überlassen.“
Danijela Ilic: Die rechtshistorische Entwicklung der Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs in Österreich, Diplomarbeit Linz, 2018, S. 44
Bei uns ist die Entwicklung stehengeblieben
1975 wurde in Österreich die Fristenlösung eingeführt – ungefähr gleichzeitig mit Frankreich[2] -, doch seither hat sich bei uns nichts getan, während sich viele andere europäische Staaten weiterentwickelt haben. Das betrifft beispielsweise die Kostenübernahme: In Österreich kommt die Krankenkasse nur in medizinisch-notwendigen Fällen dafür auf und das Sozialsystem nur in prekären Ausnahmefällen. In allen anderen Fällen einer ungewollten Schwangerschaft müssen Frauen für alle Kosten selbst aufkommen. (Für diese ungerechte und frauenfeindliche Regelung gibt es keine sinnvolle Begründung, weil Frauen ja bekanntlich nicht alleine schwanger werden.) In allen anderen Ländern in West-Europa übernimmt die Krankenkasse oder das Sozialministerium die Kosten.
In Belgien werden die Kosten seit 2002 von den Krankenkassen übernommen, in Dänemark seit 2004 auch die Kosten für Nicht-Einwohnerinnen, in der Schweiz bestätigte eine Volksbefragung im Jahr 2014 die volle Kostenübernahme.
In Frankreich wurde die verpflichtende ‘Beratung’ im Jahr 2001 gestrichen und die Krankenkasse zahlt seit 2013 den Schwangerschaftsabbruch. Im nächsten Schritt wurde 2015 die Wartefrist von 1 Woche gestrichen und 2022 die Obergrenze für den Abbruch auf 16 Wochen erhöht.
Auch Portugal, Schweden, Spanien, Holland und sogar Irland haben sich weiterentwickelt, nur Österreich ist auf dem Stand von 1975 stehen geblieben. Chirurgische Methoden, die damals State-of-the-Art waren, sind weiterentwickelt und ergänzt worden durch noch bessere und noch sicherere. Seit 1999 ist außerdem die so genannte Abtreibungspille Mifegyne in Österreich zugelassen, also eine sichere medikamentöse Methode für die Beendigung einer Schwangerschaft, die auch bereits sehr früh angewendet werden kann, so dass Frauen nicht mehr unnötig warten müssen bis ein chirurgischer Abbruch möglich ist.
Frauen dürfen ins All fliegen – aber das „Recht“ auf Schwangerschaftsabbruch haben sie nicht!
Es gibt also keinen medizinischen Grund mehr, ungewollt schwangere Frauen in ihrem intimsten Lebensbereich staatlich zu bevormunden. Es gibt für unseren Staat auch keinen religiösen (=katholischen) Grund gegen die freie Entscheidung jeder Frau, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden, denn Österreich ist säkular. Was spricht also noch dagegen, dem Beispiel von Frankreich zu folgen, nach dem Frauen nun per Verfassung die ‚Freiheit zum Schwangerschaftsabbruch‘ haben – die Kosten übernimmt die Krankenkasse.
Damit setzt Frankreich ein klares Zeichen gegen die Entwicklung in den USA, wo in den vergangenen 20 Jahren die einst fortschrittliche Regelung zurückgedreht wurde.
Mit anderen Worten: Folgen wir dem Beispiel Frankreichs, indem wir das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in unserer Verfassung verankern, und streichen wir die Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch, wie Kanada das bereits im Jahr 1988 vorgezeigt hat.
Um die Bevormundung zu beenden gibt es jetzt auch zwei Volksbegehren: www.bevormundung-is.org
[1] Film-Dokumentation „Der lange Arm der Kaiserin“, www.derlangearmderkaiserin.at
[2] Zeitreihe der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches, https://muvs.org/de/themen/abbruch/verboten-oder-erlaubt-die-abbruchgesetzgebung-unterliegt-wellenbewegungen/