Führung: Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch MUVS
Am 12. Jänner 2023 führte Dr.in phil. Susanne Krejsa MacManus und Dr. med. Dr. phil. Christian Fiala durch das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch (MUVS).
Das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch ist ein im Jahr 2003 gegründetes Museum im 15. Wiener Gemeindebezirk Rudolfsheim-Fünfhaus. Es ist das weltweit einzige Museum, das sich ausschließlich den Schwerpunkten Empfängnisverhütung, Schwangerschaftstests und Schwangerschaftsabbruch widmet. Sammlung, Archiv und Bibliothek umfassen etwa 2.100 Objekte, 1.120 Bücher, 100 Briefe und mehr als 500 Fachartikel. Auch Vor- und Nachlässe verwahrt das Museum, darunter ein umfangreiches Teilarchiv Hermann Knaus.
Auch das Fehlen spezieller Objekte/Instrumente wird dargestellt: So lange nämlich jede Abtreibung illegal war (im Prinzip bis 1975) durften auch keine speziellen Instrumente entwickelt werden, die der Gendarmerie/Polizei im Falle einer Hausdurchsuchung als Beweismittel gedient hätten. Entsprechend brutal bis phantasievoll waren die angewandten Hilfsmittel. Bis zur Einführung der Pille war die Zahl der ungewollten Schwangerschaften etwa zehnmal so hoch wie heute, da durchschnittlich 15 Schwangerschaften pro Frauenleben ‚natürlich‘ bzw. ‚naturgewollt’ sind. Daraus ergeben sich rund zehn Geburten, die abhängig von Gesundheitszustand, Wohn- und Hygieneverhältnissen, Zugang zu sauberem Trinkwasser und energiereicher Nahrung etc. sind. Von den etwa 10 Geburten haben früher nur ca. sieben Kinder überlebt. Diese enorme Kinderzahl ist den meisten Menschen aus wirtschaftlichen, sozialen oder anderen Gründen aber zu hoch – damals wie heute.
Vor 1900 wurden ungewollte Schwangerschaften daher aus medizinischen Gründen eher ausgetragen und die Kinder anschließend „weggegeben“, später wurden viele ungewollte Schwangerschaften „in Eigenregie” oder durch die Hand von Laien beendet. Wer aber das Geld zusammenkratzen konnte, hatte ca. ab den 1920er-Jahren die Möglichkeit einer vorgeblich „medizinisch indizierten“ Abtreibung. Diese wurden in Arztordinationen oder Privatsanatorien vorgenommen, eines davon war das Wiener Sanatorium Auersperg (1908-1956, heute Hotel Levante). Obwohl es allgemein bekannt war, schritt die Polizei erst 1955 aufgrund einer Anzeige ein.
Das Museum forscht auch zu den genannten Themen. Das derzeit laufende Forschungsprojekt untersucht Häufigkeit, medizinische und organisatorische Abläufe, soziales Umfeld und Rechtsprechung in Zusammenhang mit Abtreibungen für die Zeit zwischen 1945 und 1974. Das Material dafür stammt großteils aus dem Wiener Stadt- und Landesarchiv. Wie sich daraus ablesen lässt, traf das Verbot des Schwangerschaftsabbruches soziale Gruppen in unterschiedlichem Maße: Neben den erwähnten finanziell besser gestellten Frauen, die Ausweichstrategien hatten, gab es Frauen aus ärmlichen sozialen Verhältnissen, die nicht selbst berufstätig waren, sondern die Familie versorgten. Sie konnten sich zwar keine konstruierte ärztliche Indikation kaufen, kamen aber im Normalfall mit einer bedingten Strafe davon. Als „Nur-Hausfrauen“ hatte diese bedingte Strafe keine weiteren Konsequenzen für sie. Katastrophale Auswirkungen hatte das Abtreibungsverbot hingegen für die dritte Gruppe, die „Einsteigerinnen“ in die gehobene Berufswelt, also für Frauen, die selbst berufstätig waren: Selbst über eine – damals häufige – bedingte Bestrafung wurde der Arbeitgeber informiert. Von dessen „Gnade“ hing es ab, ob die Verurteilte am Arbeitsplatz mit einer Verwarnung oder Geldstrafe davonkam oder ob sie sogar ihren Job verlor. Wiederum andere Auswirkungen hatte die Gesetzgebung auf Ehemänner bzw. Partner: Angesichts der Häufigkeit von Abtreibungen wären bei einer Verurteilung der Familienerhalter die finanziellen Lasten für den Staat untragbar groß gewesen.
Die 16 Gäste wurden durch Mag. Paul Rachler im Namen des Vereines begrüßt. Die zwei Stunden waren für alle viel zu kurz! Die Gäste wären gerne noch viel länger geblieben und die beiden Vortragenden, Dr. Susanne Krejsa MacManus und Dr. Christian Fiala, hätten noch viel mehr zu erzählen gehabt!
Bericht: Susanne Kresja MacManus | Fotos: Paul Rachler
Dr.in phil. Susanne Krejsa MacManus ist Medizinjournalistin, Autorin und Archivarin und leitet das Forschungsprojekt “Abtreibung in Österreich 1945-1974” am MUVS.
Dr. med. Dr. phil. Christian Fiala ist Direktor des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch (MUVS) in Wien, sowie Gynäkologe und Geburtshelfer. Zusätzlich absolvierte er eine Ausbildung für wissenschaftliches Arbeiten am Karolinska Hospitalet in Stockholm.