'Verhütung macht Schule'

 

Ungewollte Schwangerschaften sind das Ergebnis eines mangelhaften Verhaltens. Dieses entsteht durch Unkenntnis über den eigenen Körper und über Möglichkeiten zur Verhütung, aber auch durch fehlende Motivation zur Eigenverantwortung. Das erste und weltweit einzige Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in Wien möchte das oftmals fehlende Wissen ergänzen und es den Besuchern auf eine Weise nahe bringen, durch die sie es annehmen können.

 

Laut Christian Fiala, Gynäkologe und Begründer des Museums, werden besonders oft Jugendliche mit diesem Problem alleine gelassen.

„Das Problem ist ein häufiges: Es gibt nach wie vor viel zu viele Jugendliche, die mit einer ungewollten Schwangerschaft konfrontiert sind. Der einzige Ausweg ist die Prävention! Ich halte es daher für die Verantwortlichkeit der Gesellschaft, Jugendlichen auf dem Weg in ihre Sexualität rechtzeitig Antworten auf ihre Fragen zu geben. Dazu gehört die Frage: Wie schützen wir uns am besten vor den ungewollten Folgen der Sexualität?"

Fiala zählt vergleichbare Bereiche auf, bei denen sich die Gesellschaft sehr wohl zuständig fühlt und entsprechend handelt, beispielsweise bei der Unfallverhütung im Straßenverkehr. Gleiches sei jedoch auch bei der Sexualität notwendig. Insbesondere Jugendliche benötigen wirksame Ratschläge und Maßnahmen. Genau leistet das Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch: Fruchtbarkeit begreifen

„Das war eigentlich die Ausgangsmotivation für das Museum. Wir haben überlegt, was wir machen können, um die Sexualität für Jugendliche besser begreifbar zu machen, ohne sie zu schulmeistern. Ein Jahr nach der Eröffnung können wir feststellen, dass dieses pädagogische Konzept gut ankommt. Jugendliche können hier wirklich begreifen, was Fruchtbarkeit bedeutet und wie eine ungewollte Schwangerschaft vermieden werden kann".

 

Sexualerziehung ist allerdings mehr als nur der Schutz vor unerwünschten Schwangerschaften, sagt Petra Milhoffer, Professorin für Erziehungs- und Sozialwissenschaften an der Universität Bremen: „Effektive Sexualerziehung ist auch Sozialerziehung und als solche die Basis für soziale Kompetenz und Verantwortungsbereitschaft für Verhütung. Lernen beinhaltet mehr als die Akzeptanz dessen, was andere vorgeben. Der frage- und forschungsorientierte Ansatz des Museums ermutigt dazu, Fragen zu stellen und nach Lösungen zu suchen. Dafür ist ein offenes und anschauliches Informationsangebot wichtig.“

Die Situation ist in Österreich laut Fiala heute schon um vieles besser als noch vor einigen Jahren. Mittlerweile gibt es um die 300 geförderten Familienberatungsstellen. Das Projekt ‚LoveTalks’ ist eine Landesgrenzen übergreifende Initiative, um Aufklärung und Informationen in die Schulen zu bringen.

Für Brigitte Cizek, derzeit in Ausbildung in Sexualtherapie und Sexualmedizin und ‚LoveTalks’-Initiatorin, hat das Museum dafür eine besondere Bedeutung. Denn ihrer Meinung nach fehlt es in Österreich immer noch an geeigneter Beratung speziell für Jugendliche.

 

Wann soll aufgeklärt werden?

„Es müssen mehr Ressourcen geschaffen werden, um Jugendliche nicht einfach in die Sexualität hineinstolpern zu lassen. Wenn ich mit Eltern spreche, dann ist die häufigste Frage die nach dem richtigen Alter für die erste Sexualerziehung. Ich gebe die Frage dann gerne an die Eltern zurück. Sie sagen einerseits ganz richtig, der geeignete Zeitpunkt ist dann, wenn die ersten Fragen kommen. Aber sie wollen den Zeitpunkt gerne hinausschieben aus Angst, dass möglicherweise durch zu frühe Aufklärung der erste sexuelle Kontakt weiter nach vor rutscht. Studien zum Zusammenhang von mangelnder Auklärung und frühen Sexualkontakten zeigen uns aber genau das Gegenteil!"

Damit bestätigt sie auch Anna Pichlers Beobachtungen, die seit der Eröffnung mehr als 2000 SchülerInnen mit großer Resonanz durch das Museum geführt hat: „In der Sexualerziehung geht es ja nicht darum, ab welchem Alter wir unseren Kindern die Sexualität nahe bringen können. Sondern ab welchem Alter wir ihnen eine eigene sexuelle Identität zugestehen und diese auch respektieren.“ Dabei stehen die Bereitschaft zu sexueller Verantwortung und ein sicheres Verhütungswissen in enger Wechselwirkung.

 

 

Experten:

  • Brigitte CIZEK, Dr. Brigitte Cizek, Ausbildung in Sexualtherapie und Sexualmedizin, Direktorin der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik der Stadt Wien, lovetalks.org
  • Petra MILHOFER, Professorin f. Erziehungs- u. Sozialwissenschaften an der Universität Bremen: milhoffer.de Bücher: Wie sie sich fühlen, was sie sich wünschen: Eine empirische Studie über Mädchen und Jungen auf dem Weg in die Pubertät, Verlag Juventa, 2000, ISBN-10: 3779913674 Sexualerziehung, die ankommt ... Forschung und Praxis der Sexualaufklärung und Familienplanung, zum Donwload unter www.sexualaufklaerung.de
  • Christian FIALA, Gynäkologe, Begründer des Museums