Die letzten Jahre

Seiten 233-235

Leider brach Knaus auch diese Freundschaft ab, als Husslein […] auf die Fehler­ quote der Knaus’schen Methode der Empfängnisverhütung in der Größenordnung von 7–8 % hinweisen musste.« Es gibt noch mehr Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden. Husslein widerspricht dem einstigen Lehrer: Er befürwortet die Pille. Im Hinblick auf die Enzyklika schreibt er: »[M]üssen wir uns nicht sagen, daß man nicht das Prinzip akzeptieren, die wenigen Wege aber, die zielführend sind zur Realisierung dieses Prinzips, verneinen kann?« Husslein hat auch eine gegensätzliche Auffassung hinsichtlich der Sexualität Jugendlicher: »Die Akzelera­tion der jungen Mädchen hat zu einer frühen Reifung und zu einer Vorverlegung der Pubertät geführt […]. Haben wir also nicht nur die Wahl, entweder den jungen Menschen unsere Hilfe in dieser Richtung anzubieten oder uns aber mit der uner­wünschten Schwangerschaft mit allen menschlichen und sozialen Konsequenzen abzufinden, auch wenn wir diesen Gedanken heute noch nicht ganz akzeptieren wollen?« Und schließlich schießt er noch härter gegen Knaus: »Familienplanung ärztlicher Prägung […] ist niemals Mittel der Bevölkerungspolitik.«

Treu bleibt ihm hingegen seine gute Freundin Dr. Hilde Gagstatter, die zweite Frau des deutschtümelnden Urologen Prof. Karl Gagstatter. Auch als die beiden Männer sich nach vielen Jahren entzweien – ob aus politischen oder fachlichen Gründen, ist unbekannt –, besucht sie ihn, hilft bei Alltagsfragen und kümmert sich um ihn, wenn er krank ist. Er bleibt ihr gegenüber zeitlebens beim Sie, vertraut ihr aber so, dass er ihr sogar eine Vollmacht für seine Angelegenheiten erteilt.

Knaus empfängt kaum noch Patientinnen, aber er spricht mit Journalisten über sein Lebenswerk: »Ich bin der berühmteste Arzt der Welt. Von mir wird man noch in 100 Jahren reden.« Bezüglich der Pille hat er sich mittlerweile zu einer Aus­nahme durchgerungen: »Für die ersten Monate nach der Hochzeit, für die Flitter­wochen, mag die Pille Vorteile haben, weil man in dieser Zeit wohl kaum die Ehepartner für die zeitweise Enthaltsamkeit gewinnen kann, die meine Methode verlangt.«

Zu Beginn des nächsten Jahres (1969) zieht es ihn für eine Woche nach Bad Kleinkirchheim, »um dort die Kombination von Schwimmen und Skifahren zu erleben« und an der Geburtstagsfeier seines jüngsten Bruders teilzunehmen.

Gleich darauf steht wieder der Arlberg auf dem Programm. »Als Schifahrer alter Prägung mußte er sich den neuen Fahrstil erst aneignen; dank seiner Zähig­keit und hellen Begeisterung gelang ihm dies in ausgezeichneter Weise.« Auch auf die Jagd geht er weiterhin, meist bei der Verwandtschaft, der Familie Gorton im kärntnerischen Straßburg, oder wie Anfang September 1969 auf Hirschjagd in Ungarn.

Sein allerletzter Artikel in einer wissenschaftlichen Zeitschrift befasst sich mit dem Eintritt der Geburt. Es geht ihm um die abschließende Klärung dieses um­ fangreichen Fragenkomplexes, zu dem viele Publikationen vorliegen und viele Theorien verfolgt wurden: »Da ich mich seit dem Jahre 1924 mit der Frage nach den Ursachen des Geburtseintrittes befasst und so die Erforschung des hormonalen Geschehens vor und in der Geburt fast von allem Anfang an wissenschaftlich miterlebt habe, erachte ich es geradezu als eine Verpflichtung, der Mit­ und Nachwelt einen übersichtlichen Bericht über den letzten Angriff zur Lösung dieses Problems vorzulegen.«

Hätten die Kollegen nur seine Ergebnisse aus vier Jahrzehnten Forschung auf­merksam studiert und berücksichtigt, hätten sie sich viele Irrwege erspart! »Nur jene Forscher […], die glaubten, meine Untersuchungsergebnisse nicht zur Kennt­nis nehmen zu müssen, versuchten, den Eindruck zu erwecken, als ob sie mit ihren Beobachtungen den Einfluß des Progesteron auf die Uterusmuskulatur entdeckt und die Ursachen des Geburtseintrittes gefunden hätten.«

Nun wolle er »in chronologischer Reihenfolge die 4 Theorien [schildern], die so viel zum Verständnis der zur Geburt führenden Lebensvorgänge beigetragen haben, daß nur unter Berücksichtigung der Für und Wider aller vorgebrachten Argumente dieses naturwissenschaftliche Geheimnis schließlich auch für den Menschen enträtselt werden konnte.« Auf umfangreichen 36 Seiten mit nicht weniger als 314 Literaturstellen (davon 29 eigenen) stellt er nochmals sein über die Jahrzehnte angesammeltes Wissen dar.

Obwohl er sich körperlich zunehmend schlecht fühlt und längere Erholungs­zeiten braucht, arbeitet Knaus an seinem Buch, nimmt wie erwähnt im Oktober 1969 am 2. Europäischen Kongress für Fertilität und Sterilität in Dubrovnik teil und fährt im November desselben Jahres nach Dublin, »von wo ich die ehrenvolle Aufforderung erhalten habe, ein Memorial Lecture über den Eintritt der Geburt zu halten«. Aus Dubrovnik kehrt er sehr zufrieden zurück: »Es ist […] eine Freude, wenn man von jedem Kongressteilnehmer gekannt und gegrüßt wird und in diesem die Vorstellung wachgerufen wird, daß er einem großen Mann begegnet.«