Keine künstlichen Befruchtungen mehr

Am 29. September 1949 wird das gute Verhältnis zwischen Knaus und der katho­lischen Kirche entscheidend herausgefordert: In einer Ansprache vor katholischen Ärzten verdammt Papst Pius XII. die künstliche Befruchtung mit Fremdsperma als »völlig unmoralisch«.

Das ist ein schwerer Schlag für Knaus, der seit 1943 künstliche Befruchtungen durchführt – notfalls auch mit Fremdsamen. Den Anstoß für die Beschäftigung mit der künstlichen Befruchtung erhielt er durch die Beobachtung, »daß meine Kollegen so mangelhafte physiologische Kenntnisse besaßen und daher schwere, die Gesundheit von Mann und Frau gefährdende Fehler in der Durchführung die­ser Behandlungsmethode machten, daß ich mich als Spezialist auf diesem Wissens­ gebiet geradezu verpflichtet fühlte, […] meine Kollegen über ihr fehlerhaftes und daher meist erfolgloses Vorgehen aufzuklären. [Z]u jenem Zeitpunkt [besaß ich] noch gar keine praktische Erfahrung mit der künstlichen Insemination […, aber] sah hier eine Möglichkeit, die Richtigkeit meiner Lehre […] schlagend zu bewei­sen.«

Seine erste Patientin ist die Frau eines Kollegen, der seine Zeugungsfähigkeit verloren hatte: »Da mir zu jener Zeit weder ein staatliches noch eine kirchliches Verbot gegen die künstliche Übertragung auch fremden Samens bekannt war, be­ grüßte ich [diese] Nachricht.« Knaus publiziert sofort seinen Erfolg, was einen entsprechenden Zustrom von Patientinnen bewirkt.

Hier kommen wieder seine beiden Seiten zum Vorschein – die des Wissenschaf­ters, der um Anerkennung bemüht ist, und die des Arztes, dem das Glück seiner Patientinnen wichtig ist: »Es ist für den empfindsamen Arzt sehr eindrucksvoll zu erleben, wenn der Mann klagt und fürchtet, [wegen seiner Zeugungsunfähigkeit] die Liebe seiner Frau oder die Frau überhaupt zu verlieren, wenn die Ehe länger kinderlos bleiben sollte. Es sind also tatsächlich ethisch hochwertige Gedanken und Gefühle, die zwei Menschen unter diesen Umständen bestimmen können, alles zu tun, um die Ehe zu erhalten und die sie bedrohende Gefahr mit außerge­wöhnlichen Mitteln zu beseitigen. Daher waren das Glück und die Dankbarkeit bei allen vier von mir behandelten Ehepaaren, bei denen die künstliche Übertragung Erfolg hatte, unendlich groß […].«

Da Knaus inzwischen endlich seine wissenschaftliche Bibliothek zurückerhalten hat, kann er an seinem Buch arbeiten, in dem er das Ergebnis seiner Forschungen von 23 Jahren vorlegt. Unter dem neuen Titel Die Physiologie der Zeugung des Menschen erscheint die ›3. vollständig neubearbeitete Auflage mit 104 Abbildungen und 43 Tabellen‹ seines Werkes von 1935. Die Einengung auf die ›natürliche Geburtenregelung‹ ist aus dem Untertitel verschwunden. Der Umfang hat sich ge­genüber der damaligen Auflage mehr als verdreifacht, allein die zitierten Quellen füllen 61 Seiten (gegenüber 10).

Für Knaus stellt es den »befriedigenden Abschluß meiner Arbeiten zur Er­forschung des Ovulations­ und Konzeptionstermines« dar. Dank seiner ein­ gehenden Literaturkenntnis kann Knaus einen umfassenden Überblick über die »15 Arbeitsmethoden, die zur Ermittlung des Ovulationstermines in den verschie­denen Forschungszentren der Welt entwickelt wurden«, geben und so »die Fort­ schritte, die auf den einzelnen Forschungswegen im Verlaufe gerade eines Jahrhun­derts erreicht wurden«, veranschaulichen.

Das Thema ›gerichtlich­medizinische Bedeutung der neuen Erkenntnisse‹ ist von 7 Seiten in der früheren Auflage auf fast 50 Seiten mit vielen Beispielen an­ gewachsen. Tatsächlich scheinen die Auseinandersetzungen um Knaus’ Lehre ein neues ›Schlachtfeld‹ gefunden zu haben: die Anwendbarkeit für Vaterschaftspro­zesse. Knaus ist darüber erbittert: »Den Frauen wird das Unglaubliche, nämlich die absolute Konstanz der Periodizität des Zyklus, sofort geglaubt, hingegen wird die von mir zuerst experimentell nachgewiesene und seither durch verschiedenste Methoden bestätigte Konstanz in der zeitlichen Beziehung zwischen Ovulation und Menstruation nicht geglaubt.«