Politik beeinflusst Medizin

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Zurück nach Prag: Dort brodelt es inzwischen weiter: Der Ministerrat be­ schloss, dass die Regierung bei der Ernennung neuer Professoren nicht mehr an die Vorschläge des jeweiligen akademischen Senats gebunden ist, sondern eine Fachkommission einsetzen kann. Darin wittern die deutschen Universitäten in der Tschechoslowakei eine Aushöhlung der verfassungsmäßig garantierten Lehr­ und Lernfreiheit, denn nicht­deutsche Mitglieder der Fachkommissionen haben natur­gemäß andere Ziele als die deutschen Universitäten. Die nationalsozialistische Zeitschrift für Kulturpolitik – Volk im Werden schlägt Alarm: »Es ist offensichtlich, daß dieser Kampf die Möglichkeit bietet, den deutschen Charakter der Hochschu­len allmählich verschwinden zu lassen.« Es sei das Ziel der tschechoslowakischen Regierung, »das Deutschtum in der CSR langsam aber sicher abzutöten, wobei die kulturelle Entrechtung ja schon immer an erster Stelle gestanden habe«. »Es geht um das Recht von 9000 deutschen Studenten und über 400 deutschen Lehrern an Hochschulen deutschen Geistes!«

Wie stark Politik und Medizin verbunden sind, zeigt sich an der fortlaufenden Diskussion über Möglichkeiten zur Verhütung erbkranken Nachwuchses. So be­ kommt Knaus für seine Forschung auch Zustimmung aus der falschen Ecke. Im Jahr 1936 schreibt Heinz Brauer im Frauenbuch: »Sollte sich die Methode Ogino­ Knaus als sicher erweisen, so wäre damit die naturgemäßeste Verhütungsweise gefunden, die zugleich auch ethisch und psychologisch befriedigt. Für die Rassen­ hygiene läge ihre Bedeutung darin, daß sie ermöglichen würde, unerwünschte Fortpflanzung auf dem Wege der Prävention mit einem hohen Grade von Gewiß­heit zu verhindern.« Er sieht aber auch ein Risiko: »Wenn sie von einem großen Teile der Bevölkerung angewandt würde, läge indes auch die Gefahr nahe, daß sie im Sinne einer negativen Auslese wirkt.«