Carl Credé: Gequälte Menschen §218 (1930)

MIEZE: Und det jemeinste kommt noch.

FRITZ: Nu passt mal uff –

MIEZE: Die hat nämliche vor ein paar Wochen sich selber abgetrieben!

MIEZE: Und dann riskiert se so ne Lippe.

LIESE: Mutta, die Sorte will sie nur amüsieren und rumpoussieren und die schlanke Linie behalten: Kinder kriegen is nicht for die, det ieberlassen se uns Proleten.

MIEZE: Aber richtig!

LIESE: Ick würde ihr nicht durchlassen damit, Mieze! Eenfach anzeigen!

FRAU NOLTE: Nee, Mieze, da laß Du man die Finger von, Kind! Du wirst Dir bloß dabei in die Nesseln setzen. Wat haste denn davon? Jarnischt. (Zum Publikum:) An die reichen Leite traut sich keen Jericht nich ran!

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FRAU NOLTE: Is et wahr, det die Michalski wieda mit wat jeht?

DIE KNOBLOCH: Det is wahr jewesen, die hat schon jekippt.

FRAU NOLTE: Ik weeß jarnich, wie die Weiber det immer fertig kriegen!

DIE KNOBLOCH: Det is doch sehr einfach. Sie picken sich an, denn jibt et een Blutsturz, und denn jets ab.

FRAU NOLTE: Ja, aber wenns nu aber rauskommt? Det wird doch schwer bestraft.

DIE KNOBLOCH: Reden Se doch nicht so doof! Da kennten se een Deckel ieber janz Deitschland machen und een Zuchthaus draus (zeigt aufs Publikum), wenn se die alle insperren wollten, wo det jetan haben.

FRAU NOLTE: Man liest aber so oft in der Zeitung, dat welche verknackt wern! Neilich haben se sojar een Arzt injesperrt.

DIE KNOBLOCH: Nolten, wenn de Leite sich so dämlich anstellen, dar se jefaß wern na ja, denn natierlich!

FRAU NOLTE: Ick weeß nur eens, ick traute mir nich so wat zu machen.

DIE KNOBLOCH: Nolten, ick will Se mal wat sagen, ick bin ne alte Frau, bei mir kommt sowat jarnich mehr in Frage – aber det sache ich Sie, wenn ick noch mal jung wäre, ick wollte eher varecken, als det ick jedes Jahr een Kind in die Welt setzt. Man war ja soo dämlich frieher! Det is doch bloß Kanonenfutter, (zum Publikum:) det ham ma doch jesehn. (Zur Nolte:) Un was for ne Plache hat man mit jehabt, um se jroß zu kriejen.

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DIE KNOBLOCH (die Nolten scharf von der Seite musternd): Nolten, wat heest det, Se sin nich janz in Ordnung? Is was los bei Sie?

FRAU NOLTE: Wird wohl so sint. –

DIE KNOBLOCH: Sind Se denn janz verrickt? Wissen Se, Nolten, Sie sind det doofste Frauenzimmer, dat mir in mein janzet Leben vorjekommen is. Davor haben Se ooch de villen Kinner. Immer Kinnerkriegen und Kinnerkriegen, wo se keene Wohnung for se haben und keen Brot. Is doch alles Quatsch.

FRAU NOLTE: Jlooben Se wirklich, det der Doktor Hansen det nich machen wird?

DIE KNOBLOCH: Na jemacht muß et werden, aber ob Doktor Hansen det nu jerade macht? – Ja, wenn Sie Jeld hätten und jingen zu een feinen Professor int Sanatorium, dann wer Se bald Ihre Sorgen los. Der find immer een Jrund, an den traut sich ooch keen Staatsanwalt nich ran. Aber uff unsere Proloetendokters wird anners uffjepaßt. Wir Proletenweiber sollen eben Kinner in de Welt setzen wie die Karnickelzibben. (Höhnisch:) det is bestimmt in Jottes Rat.

FRAU NOLTE: Er tut es nich? Er tut es nich? Meinen Se wirklich? Ja, wat soll dann wern?

DIE KNOBLOCH: Wat wern soll? Det is doch klar wie Kloßbrühe. Se missen eben dahin jehen, wo’t jemacht wird! An de richtije Adresse. An jede Ecke wohnt doch heute so ne olle Tante, wo abtreibt, aber icke will mir nich die Schnauze vabrenn. Zweete Tür von Sie rechts, da wohnt ne Zauberin, die kann Ihn aus’n dicken Bauch kleene Engel vorzaubern. For uns Proletenweiber gibt’s nur eens: Immer abtreiben! Immer abtreiben! Bis die ollen da oben kapiert haben, det wir streiken! Denn kenn se sich mit ihren janzen Paragraphen inpökeln lassen. (Ab.)

FRAU NOLTE: Abtreiben soll ick - - Nee, det kann ich nich, wat soll denn aus de Kinner wern. Is ja schon manche hier hopps jejangen in de Baracken! Hab se ja doch so lieb die kleenen Engel. Nachher kimmert sich keener drum. - - (Legt den Kopf auf die Arme du schluchzt krampfhaft:) Mir hilft keener!             Vorhang!

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NOLTE: Nanu, biste krank? Haste dir verdorben?

FRAU NOLTE: Ach, Willem! Wenn’t dat bloß wäre! (Sie setzt sich und bricht in kovulsivisches Schluchzen aus.)

NOLTE: (erhebt sich ruckartig, geht drohend auf sie zu): Olle, det kann doch nich sint! (Pause.) Na, det wär’wieder richtig. Dat Haus voller Jören, dabei keene feste Arbeet. Ham so schon nich satt zu fressen, un da kommste mit so wat? Da sieh man bloß zu, wie de dat wegbringst! (Pause.) Nu laß det Flennen sint, da kommt nischt bei raus! (Pause.) Biste schon bein Doktor jewesen? Wat sach denn der? (Pause.) Nu red’ doch, Mensch! Du machst mir noch janz varickt! (Schmidts lauschen.)

FRAU NOLTE: Jestern war ick bein Doktor! Er sachte, er derf nich, es täte ihm leid, aber er derf nicht. (Pause.) Er will mir heite nochmal hier untersuchen!

NOLTE: Wat heeßt, leid tun? Der Hansen is ooch so eener, wie alle anderen. Wenn da mal in de Vasammlung, ieber Parajraph 218 jesprochen wird, red’t er dicke Töne! Wenn’s aber druff ankommt, zieht er Leine! Pfui Deiwel! (Er spuckt verächtlich aus und wendet sich zur Tür.)

FRAU NOLTE: (angsterfüllt): Willem, wo willste denn hin? Bleib doch hier! Jeh bloß nich in de Kneipe, davon wird’s ooch nich besser.

NOLTE (unwirsch): Ach wat, Kneipe, wovon denn? Weeßt doch selber, dat ick nischt ieber habe und jeschenkt jibts dort nischt.

FRAU NOLTE (zögernd): Jeh doch mal --- die Lehmann --- (lange Pause.)

NOLTE (plötzlich): Zieh’mir mal die Kinner an, die nehm ick mit. Die Kleenen hol ick nachher von de Warteschule ab und die Jroßen kommen erst später aus de Schule. So lange is de Luft reene. Also, halt Dir ran!

FRAU NOLTE (zieht hastig die Kinder an, wobei ihr Anna Nolte hilft).

NOLTE: Los, los! Kommt!

ANNA NOLTE: Wohin denn, Vata?

NOLTE: Schnauze! (Schiebt die Kinder zur Tür hinaus, Frau Nolte schluchzt auf.) Na dann mach es jut, olles Mädchen. (Umarmt sie.) Wird nich jleich ant Leben gehen. (Ab.)

FRAU NOLTE (sucht in nervöser Hast im Zimmer etwas Ordnung zu machen).

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FRAU NOLTE (hantiert sehr ungeschickt und unsauber herum, nimmt etwas Wäsche von der Leine und legt sie) Herrjott, wennt bloß erst vorbei wäre. Ick hab ne Angst ---

FRAU LEHMANN (kommt einige Minuten später, scheu und vorsichtig die Tür ins Schloß drückend, von draußen und geht direkt nach der Nolteschen Wohnung. Sie ist etwa 60 Jahre, weißhaarig, Scheitel, schwarzes Umschlagetuch, ärmlich, aber sauber gekleidet.) N’Tag Frau Nolten!

FRAU NOLTE (aufregend): Jott sei Dank, dat Se jekommen sind, mein Mann hat Se woll Bescheid jesagt.

FRAU LEHMANN: Pst! In’n wievielten Monat sin Se denn?

FRAU NOLTE: Is zweemal ausjeblieben!

FRAU LEHMANN: Na, Jott sei Dank, denn jeht’s ja noch. (Pause.) Sie kennen een ja dauern, Nolten, mit ihre villen Kinner, aber dat ihr Mann jleich mit Anzeige droht, wenn ick ihm nich den Willen tu und Sie helfe, det is doch een starkes Stück, bei Lichte beseh’n

FRAU NOLTE: Je, davon weeß ick ja jarnicht!

FRAU LEHMANN: Tun Se man nich so! (Pause.) Wo ihr Mann det ieberhaupt her hat? (Pause.) Na, de Weiber kennen ja nie den Schnabel halten. Wenn se jeholfen werden wollen, denn schwör’n se tausend Eide – aber nachher wird losjequasselt. Wennt een nich so dreckich ginge, denn ließe man ja ooch die Finger von! Aber nur sachen Se mal selber, Nolten, ick krieje 18.50 (fuffz’g) in’n janzen Monat Invalidenrente, kann da een Mensch von leben? Wenn ick denn eener helfe, krieje ick ja nich ville, aber wennt man ooch bloß n’ Zentner Kartoffel oder een bisken Fettigkeit is, wat man kriejen und nischt zu fressen. Na, nu woll’n wa nich lange fackeln, dat se aus ihre Bange rauskommen!

FRAU NOLTE: Ick weeß jarnich, ick hab’ so’ne Angst heite! Frau Lehmann, et wird doch allet jut jehn?

FRAU LEHMANN: Ach, wie kommen Se denn uff so wat, kleene Frau! Es is bei die annern doch ooch immer jut jejangen. (Pause.) Es wird doch nich wer kommen?

FRAU NOLTE Nee, davor sorgt schon mein Mann. Ick wer ooch jleich noch mal selber nach de Tire sehn! (Sie geht zur Türe, schließt ab und hängt noch ein altes Tuch über die Türklinke, um das Schlüsselloch zu verdecken halb flüsternd). Det mach ick wejen de Schmidten, die spitzelt.

FRAU LEHMANN: So? Denn woll mer man recht vorsicht sint: haben Se nich wat, ne olle decke oder so wat?

(Frau Nolte holt eine braune Militärdecke, alt und schlecht, aus einem Bett hervor und gibt sie der Lehmann. Diese hängt sie über die Wäscheleine, die quer durch das Zimmer geht.)

FRAU LEHMANN: Hab’n Se nich n paar Klammern?

FRAU NOLTE: Jawoll! (nimmt ein paar aus der Tischschublade. Beide Frauen befestigen nun die Wolldecke so, dass das dahinter stehende Bett so gut wie ganz verdeckt wird und begeben sich hinter den inprovisierten Vorhang.)

FRAU LEHMANN: Na, nu keene Bange, kleene Frau, legen Se sich man ruhig hin, is ja jleich vorbei! (Nach einer Minute absoluter Stille auf der Bühne stößt Frau Nolte einen halbunterdrückten Schmerzensschrei aus.)

FRAU LEHMANN (unterdrückt dabei heftig): Woll’n Se wohl ruhig sint, wie kenn’ Se denn so schrei’n! Sin Se denn varrickt jeworden? Sie woll’n mir wohl ins Unjlick stirzen? Da! Beißen Se in’t Kissen, wenn’t weh tut! Wenn Se nich ruhig liegen, dann jet’s eben nich. Denn missen Se den Bampel eben austragen.

FRAU NOLTE: Sie tun mir ja so weh! Au! Ick bin ja schon stille (sie stöhnt und wimmert).

FRAU LEHMANN: Ruhich soll’n Se sein! (Nach längerer Pause) So, jetzt wär’s jeschafft! Nu liejen Se man een Moment still und erholen Sie sich!

FRAU NOLTE: Ich weeß jarnich, ick wer ja mit eenmal so naß, Frau Lehmann, ick schwimme ja! Ick joobe, ick valier Blut.

FRAU LEHMANN: Quatschen Se nich, det muß sint! Det is Fruchwasser. (Sie erscheint vor dem Vorhang, ergreift ein Stück Zeitungspapier von dem Tisch und wischt eine ziemlich große, blutige Mutterspritze ab, schraubt sie auseinander und versteckt sie in einer länglichen Tasche aus Stoff, die sie unter dem Kleiderrock am Körper trägt. Das Zeitungspapier steckt sie ebenfalls in die Rocktasche) So, Nolten! Det jing fein, nich wa? Ja, jelernt is jelernt! Nu steh’n Se uff! Nu heeßt et vor allen Bewejung machen, denn kommt et eher runter. Nu lassen Se mir ooch mal wieder raus. Kiecken Se aber erst nach, ob de Luft ooch rein is! (Frau Nolte hält sich mit der linken Hand den Bauch und geht wankend mit schmerzerfülltem Gesicht zur Türe, öffnet vorsichtig und drückt sie wieder zu, nachdem sie hinausgelugt hat. Mit veränderter, heiserer Stimme:)

FRAU NOLTE: Is niemand da! (Pause.) Denn sein Se man ooch scheen bedankt, Frau Lehmann! Ick wer davor sorjen, dat mein Mann et Ihnen recht macht.

FRAU LEHMANN: Schon jut! (Ab.)

FRAU NOLTE (wandert befehlsmäßig im Zimmer auf und ab. Ihr Gang wird immer unsicherer, ab und zu bleibt sie stehen, hält sich am Tisch fest, sie droht umzufallen, Zittern überläuft ihren Körper, dann bemerkt sie plötzlich, dass sie viel Blut auf die Erde verliert. Sie sucht sich einen Scheuerlappen und versucht die Blutflecken zu beseitigen. Sie schleppt sich wankend zum Bett hinter dem Vorhang, man hört Wimmern und Stöhnen.

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DR. HANSEN (Mantel, Hut, Tasche, tritt, von draußen kommend, auf, klopft kurz an der Nolteschen Tür und tritt dann gleich ins Zimmer, ohne „Herein“ abzuwarten. Sieht sich um.) Tag, Frau Nolte! Na! Wo stecken Sie denn? (Pause.) Ach, Sie liegen zu Bett!

FRAU NOLTE (mit halb verlöschter, stockender Stimme): Herr Doktor, ich bin sehr krank!

DR. HANSEN: Na Frau Nolte, bleiben Sie nur ruhig liegen ich wollte noch mal nachsehen, wie es Ihnen geht. Sie waren ja gestern furchtbar hinfällig. (Pause.) Was machen denn die Kinder? Sind wohl nicht da? Hustet Annchen noch viel? (Pause.) Lassen Sie man, ich komme gleich, ich will bloß noch meine Sachen aufhängen (er entledigt sich seines Mantels, stellt die Tasche auf den Tisch, nachdem er vorher nach einem sauberen Fleckchen gesucht hat, wischt vorher mit einer alten Zeitung den Tisch notdürftig ab.) Na wissen Sie, sehr propper sieht es bei Ihnen nicht aus, Frau Nolte! (Pause.) Gott, wenn man krank ist, hat man eben keine Zeit! Wird schon wieder besser werden, wenn Sie erst wieder gesund sind. (Zieht seinen Rock aus und krempelt die Hemdsärmel hoch.) Frau Nolte, haben Sie hier nich so ein bisschen was wie’n Waschbecken und Wasser? Ich Sie mal innerlich untersuchen wie weit Sie sind.

FRAU NOLTE (ganz schwach): Vorn, jleich an de Tire!

DR. HANSEN (sucht): So! Da habe ich es schon, bleiben Sie nur ruhig liegen, ich mach mir alles zurecht! (Er geht hin und säubert sich selber ein Waschbecken und gießt sich etwas Wasser ein, zieht Seife aus seinem Besteck und wäscht sich. Dann mehr zu sich redend:) Ist vielleicht so was wie’n Handtuch da? Ja, ja, da ist ja was – (Er erwischt einen noch sauberen Zipfel eines Handtuches, geht dann hinter den Vorhang auf das Bett zu und man hört ihn von dort ganz erregt rufen:) Ja, aber was ist denn mit Ihnen los, Frau Nolte? Wie sehen Sie denn aus? Ja, was ist denn hier? Heben Sie man die Beine Hoch, ich will Sie untersuchen! (Pause.) Ja, was haben Sie denn? Sie schwimmen ja im Blut! Mein Gott, der Puls ist ja nicht mehr zu fühlen! Himmel – Herrgott – Wie kommt denn das? (Er kommt sehr aufgeregt wieder hinter dem Vorhang hervor, die linke Hand ist völlig vollständig rot vor Blut, er taucht sie dann sofort ins Waschbecken, es haftet aber doch weiter Blut daran. Er greift jetzt nach seiner Tasche und fegt den Tisch mit einer kurzen Bewegung der rechten Hand leer, so dass alles ins Zimmer fliegt, legt dann ein Tuch aus seiner Tasche auf den Tisch und breitet einige Instrumente darauf aus. Auch einen Karton mit Watte reißt er auf. Dann reißt er die Türe auf und klopft stürmisch an die Schmidtsche Tür:) Sie, he da! Kommen Sie doch mal schnell rüber! (Als niemand antwortet, macht er mit der rechten sauberen Hand die Tür ganz auf, sieht die Anwesenden.)

DR. HANSEN (aufgeregt, hastig, mit heiserer Stimme): Bitte, kommen Sie bloß mal schnell rüber und helfen Sie mir, da drüben ist was passiert, da verblutet mir eine Frau! (Schmidt, seine Frau und der Pastor gucken sich groß an und folgen alle nach in die Noltesche Wohnung, sichtbar bestürzt.)

SCHMIDT (bleibt außen in der offenen Tür stehen): Nanu was ist denn hier los?

DR. HANSEN (zu Frau Schmidt): Haben Sie nicht etwas saubere Wäsche? Bringen Sie mir doch ein paar Handtücher her, die Frau verblutet mir ja. Ich will sie tamponieren und in meinem Auto gleich in die Frauenklinik schaffen.

SCHMIDT (bleibt in der Tür der Nolteschen Wohnung stehen, Frau Schmidt läuft in ihre Wohnung, reißt aus der Kommode Wäsche und kommt schnell zurück.)

FRAU SCHMIDT: Hier, Herr Doktor!

DR. HANSEN: Danke, legen Sie es dahin! (ER hat sich inzwischen notdürftig desinfiziert und naht jetzt dem Bett hinter dem Vorhang, in der einen Hand eine gynäkologische Zange, in der anderen Hand einen großen Wattebausch. Da tritt Frau Schmidt, die kurz vorher zu dem Nolteschen Bett getreten ist, hinter dem Vorhang hervor.)

FRAU SCHMIDT: Herr Doktor, Sie kommen zu spät, Frau Nolte ist tot!

DR. HANSEN (tritt eine Minute hinter den Vorhang. Dann, schrecklich aufgeregt:) Das ist ja furchtbar, das ist ja entsetzlich! Eine Mutter von acht Kindern! Nein wie konnte ich auch nur! Ich mache mir die allerschwersten Vorwürfe! (Frau Schmidt wechselt mit dem Pastor und ihrem Mann vielsagende Blicke.)

DR. HANSEN (wird die Blicke gewahr, besinnt sich, schnell, unwillkürlich hastig): Die Frau war nämlich neulich bei mir, sie war schwanger. Ich kann ja jetzt ruhig darüber reden. Sie war auch tuberkulös und wollte die Schwangerschaft beseitigt haben. (Verzweifelt.) Aber man darf ja nicht, man muß ja dem Gesetz folgen, man wird feige, wenn man immerzu Konflikte hat. So habe ich sie dann vertröstet und gesagt, ich wollte sie heute hier noch mal untersuchen, um zu prüfen ob ihre angegriffene Gesundheit noch doch einen Eingriff rechtfertige! Nun bin ich zu spät gekommen! Nun kann ich ihr nicht mehr helfen! Es ist zum Verzweifeln! Ein Unberufener hat hier schon seine Hand im Spiel gehabt. Es ist doch zu entsetzlich mit diesem Würgeparagraphen! Nun schon wieder eine Mutter tot! (Zum Pastor:) Was soll den bloß aus den armen Kindern werden, ist es nicht entsetzlich?

PASTOR (kühl, ablehnend): Ich möchte mich mit Ihnen nicht darüber unterhalten, Herr Doktor!

DR. HANSEN: Aber Herr Pastor! Sie gerade als Christ, als Mann der Kirche, haben Sie kein Empfinden für das Furchtbare dieser Situation, dafür, daß die Frauen so richtig auf die Schlachtbank des Lebens getrieben werden? Da stehen sie so kühl dabei! Haben Sie denn gar kein Herz in der Brust?

PASTOR: Herr Doktor! Bitte verschonen Sie mich mit Ihren Phrasen, es wird eine andere Stelle zu entscheiden haben, wer hier schuldig ist. (Ab mit Schmidts, die noch einen vernichtenden Blick auf den Arzt werfen. Sie gehen in den Gang, Frau Schmidt schleicht hinterher. Im Gang verabschiedet sich der Pastor.)

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KRIMINALKOMMISSAR (gefolgt von Kriminalassistenten, tritt auf. Der Kommissar ist klein, sehnig, gut angezogen, ein Stich in den Leutnantstyp, soldatischer, etwas schnoddriger Ton; sein Assistent: Lang, hager, blond, blaß, finnig. Etwas dürftiger gekleidet, grüner Hut mit Gamsbart. Beide kommen den Gang entlang, leise, aber schnell. Sie können gerade die letzten Worte von Nolte noch hören, die er schon halb im Weggehen gesagt und dabei die Türe geöffnet hat. Die beiden Beamten drängen Nolte zurück und treten mit ihm, der erstaunt zurückweicht in die Noltesche Wohnung. Der Kriminalkommissar wirft mit einer Handbewegung seine Legitimationsmarke, die er in der Brusttasche seines Rockes links an einer Kette trägt, heraus und weist sie sowohl Nolte, als auch Dr. Hansen vor, der sich erstaunt nach ihm umgewandt und ein Instrument, das er gerade in der Hand hatte, wieder auf den Tisch gelegt hat.)

DR. HANSEN: Kriminalpolizei? Was wünschen Sie von mir?

KOMMISSAR: Sie sind doch der Dr. Hansen?

DR. HANSEN (nickt. Er versucht, etwas nervös, seine Instrumente weiter einzupacken.)

KOMMISSAR: Finger weg, Sie! Sie haben hier gar nichts einzupacken. Legen Sie die Instrumente mal ruhig auf den Tisch, hier im Zimmer wird überhaupt nichts mehr angerührt. Ich habe deutlich gesprochen – verstanden? (Der Kriminal-Assistent fasst mittlerweile an der Tür Posten, so, dass er auch noch das Fenster mitbeobachtet)

DR. HANSEN: Ich verstehe nicht – wie können Sie es wagen, in diesem Ton mit mir zu reden – bin ich denn ein Verbrecher?

KOMMISSAR: Ob Sie ein Verbrecher sind oder nicht, wird sich erweisen! (Zu seinem Assistenten:) Herr Kollege, machen Sie doch mal Notizen über den Tatbestand.

ASSISTENT (zieht ein Notizbuch aus der Tasche und fängt eifrig an, Notizen zu machen).

KOMMISSAR (zu Nolte): Was haben Sie denn da eben von „anzeigen“ geredet? Wer sind die denn überhaupt?

NOLTE: Ick bin Herr Nolte!

KOMMISSAR: Man sagte mir soeben, hier sei eine Frau an einer Abtreibung gestorben; sind Sie vielleicht der Mann dieser Frau?

NOLTE: Det bin ick!

KOMMISSAR: Na, und wen wollen Sie denn anzeigen? Das haben wir doch eben ganz deutlich gehört, dass Sie wen anzeigen wollten!

NOLTE (zögernd): Den Dokter natierlich, der det anjerichtet hat.

DR. HANSEN (aufbrausend); Herr Kommissar! Der Mann ist ja komplett verrückt. Dem kann man jetzt nicht glauben und nichts übel nehmen, was er daher redet. Der Tod der Frau hat ihn verwirrt.

KOMMISSAR: Na, man immer sachte, Herr Dr. Hansen! Was wir dem Manne glauben oder nicht, ist unsere Sache, verstanden? – Es wäre doch nicht das erste Mal, dass sie einen verbotenen Eingriff machten, Herr Dr. Hansen! Wir sind doch schon lange auf Ihren Spuren! Oft ist’s vergeblich gewesen – diesmal aber hat es geklappt! Auf frischer Tat – eine Seltenheit bei Abtreibungen!

DR. HANSEN: Herr! Was erlauben Sie sich?

KOMMISSAR: Nur mit der Ruhe! Zu fragen haben Sie übrigens gar nichts. Ich frage, Sie antworten: Ist es zutreffend, dass die Frau Nolte tot ist, Herr Doktor?

DR. HANSEN: Daran ist leider kein Zweifel!

KOMMISSAR: Nun, dann könnten Sie ruhig etwas bescheidener auftreten, Herr Doktor. Abtreibung mit tödlichem Ausgang. (Hansen ringt nach Worten.)  Ich weiß schon was ich sage! Einen klareren Tatbestand als hier, kann man doch wohl kaum finden. Sie stehen noch mit blutigen Händen und Instrumenten bei der Leiche. Vor mehreren Personen – vor mehreren hochachtbaren Personen – haben Sie sich sogar selbst bezichtigt. Mehr kann man wirklich nicht verlangen! Im Gegenteil, als eifrigem Kriminalisten tut einem das Herz weh, dass rein gar nichts mehr zu tun übrig bleibt, weil Sie sich selber überführt haben. Ich gratuliere!

DR. HANSEN (fassungslos): Ich verstehe Sie nicht! Das ist vollkommen sinnlos. Sie denken die Dinge nach einer vorgefassten falschen Ansicht. Was verstehen Sie denn überhaupt von dieser medizinischen Katastrophe, die kann doch nur der Arzt beurteilen.

KOMMISSAR (ironisch): Selbstverständlich! Was auch nur eine Privatmeinung von mir.

ASSISTENT: Hoffentlich macht Ihnen unser Gerichtsarzt keine Enttäuschungen!

KOMMISSAR: Lassen Sie den Mann ruhig quasseln, was er will, Kollege. Wir werden ja sehen, wer recht behält. Der Tatbestand ist ja so klar, dass der Medizinalrat es leicht haben wird mit seinem wissenschaftlichen Gutachten.