Josef Kiß: Judith Simon (1875)
So weiß wie Judiths Antlitz ist Schnee des Alpfirst nicht,
Mit ihren ros'gen Fingern bedeckt sie das Gesicht;
Sie schluchzt, sie stammelt, flüstert die Worte halb erstickt:
'Mit meinen eignen Händen hab' ich das Kind erdrückt!'
Sein Vater, der betrog mich, gab mich dem Elend preis.
Ich war ein schwaches Mädchen, die Nacht so still, so heiß.
Die Furcht vor Gott und Schande - o unheilvolle Stund',
Ich wollt', ich läge gleichfalls im tiefsten Erdengrund'.
Der Greis durchblättert wortlos die heil'gen Bücher all,
Zu forschen nach der Sühne für diesen schweren Fall.