Justinus Kerner: Die Kindsmörderin (1852)

Dort am Waldbronnen sieht im Mondenschein

Man eine Geistin mitternachst oft stehn,

Dort lehnt sie sich ans moos’ge Kreuz von Stein,

Als fühlt’ sie unterm Herzen tiefe Wehn.

 

Bleich, bleich und stumm, wie nur der Mond kann sein,

Blickt erst sie in den Brunnenstill hinein,

Dann wirft sie zitternd was in seinen Schacht

Und stürzt sich jählings nach in seine Nacht.

 

Dumpf aus der Tiefe dröhnt der schwere Fall,

Die Wasser rauschen auf am Bronnenstein,

Doch Toten-Stille wird es bald darauf,

In schwarze Wolken hüllt das Kreuz sich ein,

Und die Waldblume hört zu duften auf.