Helene Stöcker: Die neue Generation (1919)

15. Jahrgang, 10. Heft:

J. R. Spinner, Verbrecherische Gynäkologie.

Der Dienst für den Staat gegen die Frau und ihre privaten und familiären Interessen. Die Herabwürdigung der Frau zum staatlichen Gebärwerkzeug. Was die katholische Kirche vom Standpunkte ihrer Seelentheorie mit ihren kirchlichen Machtmitteln zu erstreben suchte, das hat der kriegerische Machtsaat mit den staatlichen Machtmitteln zu erpressen gesucht.

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Wenn bisher der Mann die Gesetze geschrieben hat, die aus der Frau eine stumme staatliche Gebärmaschine zu erpressen wussten, so kann die Frau heute eine Änderung erzwingen.

Sie soll erzwingen, damit dem abgetakelten Regierungssystem, das Deutschland in namenloses Elend gestürzt hat, nicht rasch wieder zur Möglichkeit der Resurrektion und Revanche mit verantwortungslos gezeugtem Kanonenfutter verholfen werden kann. Die Frau soll wissen, warum sie Kinder erzeugt, für wen sie sie erzeugt, ob für den Wohlfahrtsstaat, der sie in einem menschenwürdigen Arbeitsverhältnis belassen, oder für den Raubstaat, der sie zu Mord und Raub abrichten will.

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Sie erfand grauenhafte Begriffe, wie die Bestrafung des untauglichen Abtreibungsversuches am untauglichen Objekt, die Notwendigkeit des Austragens verbrecherischer Graviditäten, das gesetzliche Verbot der Benutzung von Schutzmitteln gegen geschlechtliche Infektion und andere Ausgeburten einer korrupten Psychologie.

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Die Frau hat für den Staat nur dann einen Wert, wenn sie ... Gefäß ist. Und das Gefäß darf man ruinieren, weil man den kostbaren Inhalt sonst nicht daraus befreien kann.

Ein großes Gebiet der Aufklärung liegt vor uns, das der deutschen Frau klar machen soll, dass sie an ihrem eigenen Körper ein höchstpersönliches Recht hat.

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Heute ist es an der Frau, sich mit ihrem neuen Recht der politischen Betätigung dem Problem zuzuwenden, ob der Staat ein Recht an den verbrecherisch erzeugten Föten überhaupt haben kann.

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15. Jahrgang, 2. Heft:

J.R. Spinner, Soll Deutschland in den nächsten 5 Jahren Geburtenpolitik im bisherigen Verhältnis weitertreiben?

..., dass die erzwungene Mutterschaft um des staatlichen Machtprinzips willen ein Verbrechen an der Nation bedeutet, ...

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Man hat es ja auch nicht verschmäht, die Vergewaltigungsprodukte fremder Invasion als Quantitätszuwachs dadurch willkommen zu heißen, dass man den unglücklichen Opfern die Wohltat des künstlichen Abortes versagte.

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15. Jahrgang, 11. Heft:

Julian Marcuse, Zum § 218 des RStGB

„Die Abtreibung bleibt straflos, wenn sie bei ehelicher Schwangerschaft in gegenseitigem Einverständnis der Ehegatten, bei außerehelicher Schwangerschaft mit Einwilligung der Schwangeren erfolgt, vorausgesetzt, dass die Frucht nicht älter als drei Monate ist und ihre Entfernung aus dem Mutterleibe durch einen patentierten Arzt vorgenommen wird.“

 

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15. Jahrgang, 6/7 Heft:

Auguste Kirchhoff, Bevölkerungspolitik und Frauen

... der Ruf nach gesteigerter Menschenproduktion. Staat und Kirche, Männer der Wissenschaft, militärische Autoritäten, bekannte Volkswirtschaftler und Politiker vereinten ihre Stimmen zu einer Forderung, die man im Namen der Vaterlandsliebe zur sittlichen Pflicht erhob. Wie die ganze Kriegspolitik, so trägt auch dieser Zweig den Stempel rein männlichen Denkens und Empfindens, rein männlicher Initiative. Frauen waren hier lediglich Objekte - ...

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... der ungeheuerliche Gesetzentwurf gegen die Verhinderung der Geburten, der im Frühling 1918 aus dem Schoße der Kommissionsberatungen hervorging,...

Ein Gesetz, das die dem Manne zur Verfügung stehenden geburtenverhütenden Mittel freigibt, - Herstellung, Einfuhr und Vertrieb der antikonzeptionellen Mittel für die Frau aber denselben strengen Strafbestimmungen unterstellt, wie das Abtreiben der Leibesfrucht.

Die ganze Rohheit und Ungerechtigkeit der Kriegspolitik, der Macht Recht ist, wendet sich hier gegen die Frau, der man die freie Selbstbestimmung, des Recht, über den eigenen Körper selbständig zu verfügen, unterbindet und jede Möglichkeit nimmt, sich vor ungewollter Mutterschaft zu schützen, und die man damit auf Gnade und Ungnade der Ritterlichkeit oder Brutalität des Mannes – je nachdem – ausliefert.

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Eine merkwürdige Sittlichkeit, die auf der einen Seite den Mann mit dem nötigen Schutz zum Prostitutionsverkehr ausrüstet, auf der anderen die Frau zur Gebärmaschine verurteilt,...

 

Bildquelle: zvab.com