Sabine Fisch: Eine ganz normale Entscheidung (2000)

Die Frau hat sich auf den Boden gehockt und in den Bauch gedrückt, das war eine Frau mit drei Kindern, dann kommt der Muttermund in die Scheide und sie hat gesagt: ‚Dann habe ich eine ausgeglühte Stricknadel genommen und habe sie hinaufgeschoben, bis es gekommen ist. War überhaupt kein Problem.’ Bereits zehn Mal hat sie dies bei sich gemacht. Viele Abbrüche haben die Frauen selbst durchgeführt. Die anderen haben die Hebammen gemacht, die das hervorragend gemacht haben. Die haben gewartet bis zum 4., 5. Monat und haben dann die Fruchtblase gesprengt. So wie das die Frau mit der Stricknadel gemacht hat, hat die Hebamme es auch gemacht. Oder sie hat einen Katheter genommen. Und dann hat es natürlich die Gynäkologen gegeben, die das auch hervorragend gekonnt haben.“ So Prof. Rockenschaub, der ehemalige Leiter der Semmelweis Klinik in Wien, in einem Interview über Zustände, die mit der Legalisierung des Abbruchs über Nacht verschwunden sind.

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Halsgerichtsordnung Maximilian I

1499 erließ Kaiser Maximilian I. die so genannte Halsgerichtsordnung. In dieser wurde das erste Mal von einem weltlichen Gesezt der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe gestellt. Die Strafen waren hart: Auf Abtreibung stand die Todesstrafe.

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Constitutio Criminalis Carolina – Peinliche Gerichtsordnung, Bamberg

War im Mittelalter die Abtreibung noch als legitime Möglichkeit akzeptiert worden, die Fruchtbarkeit zu regeln, so änderte sich das mit dem ersten rechtseinheitlichen Strafgesetzbuch, der Peinlichen Gerichtsordnung, die unter Kaiser Karl V. im Jahr 1532 verabschiedet wurde.

Dieses für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation erlassene Strafrecht bestimmte in Artikel 133, die vorsätzliche Abtreibung eines ‚lebendig kindt’ sei mit dem Tod – falls durch die Kindsmutter begangen durch Ertränken – zu bestrafen. Um diese Gerichtsordnung anschaulich zu machen, im folgenden ein Auszug daraus:

Item so jemandt eynem weibssbild durch bezwang, essen oder drincken, eyn lebendig kindt abtreibt, wer auch mann oder weib unfruchtbar macht, so solch übel fürsetzlicher oder boshafftiger weis beschicht, soll der mann mit dem schwert, als eyn todtschläger, und die fraw so sie es auch an jr selbst thette, ertrenckt oder sunst zum todt gestrafft werden. So aber eyn kind, das noch nit lebendig wer, von eynem weibssbild getriben würde, sollen die vrtheyler der straff halber bei den rechtsverstendigen oder sunst wie zu end dieser ordnung gemelt radts pflegen.

(Nach Ute Gerhard, Frauen in der Geschichte des Rechts, 1997)

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Kursächsische Konstitution

Maßgeblich für die Abtreibungsrechtsordnung waren die Kursächsischen Konstitutionen von 1572, die den Beginn des Fruchtlebens auf die Schwangerschaftsmitte festlegten und erst von da an die Todesstrafe androhten. Abtreibungen vor diesem Termin wurden milder bestraft:

Wann vorsetzlich durch getrenck oder sonsten Leibesfrücht die dam im Mutterleibe lebendig gewesen / abgetrieben / so sol die Mistheterin am leben / und die / so darzu mit trencken / oder in andere gestalt geholffen / mit dem Schwerd gestrafft werden. Da aber die Frucht nicht gelebt / und solches noch unter der helffte nach der empfengnus geschehen / oder aber das / was zum abtreiben genommen / keine wirckuunge gehabt / oder aber das / bene kein kind gewesen / So sol sie wilkürlich mit staupen schlegen / vorweisung oder gefengnus / nach gestalt der vorbrechung gestrafft werden

(Nach Ute Gerhard, Frauen in der Geschichte des Recht, 1997)

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Interessant ist hier, dass ein Unterschied zwischen einem lebenden und einem nicht lebenden Kind gemacht wird. Vor allem deshalb, weil es den mittelalterlichen Menschen sehr schwer fiel, eine Schwangerschaft vor ersten Kindesbewegungen überhaupt festzustellen.

Es blieb auch die ‚peinliche Gerichtsordnung’ in diesem Punkt ein weitgehend theoretisches Konstrukt. ForerschInnen haben festgestellt, dass Abtreibung kaum je gerichtsnotorisch wurde, aus einem einfachen Grund: Es gab bei einer erfolgreich durchgeführten Abtreibung keine Beweismittel.