Kröte
Warum schenkt man dem lieben Gott eine Kröte?
Und wofür sie außerdem eingesetzt wurden
„Man“ meint in diesem Fall „frau“, aber nicht aus politischer, sondern aus anatomischer Correctness: Votivgaben in Krötenform symbolisierten nämlich seit alters her die Gebärmutter. Schon der antike griechische Philosoph Platon hatte die Vorstellung, dass es sich bei der menschlichen Gebärmutter nicht um ein weibliches Organ, sondern um ein selbständiges Lebewesen handelt. Wenn ihm zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, zwickt und beißt es und verursacht Blutungen und Schmerzen. Wer starke Menstruationsschmerzen hatte, an Erkrankungen des weiblichen Genitalbereiches litt oder ungewollt kinderlos blieb und außerdem katholisch war, opferte bis ins 20. Jahrhundert so eine Kröte, um den lieben Gott oder eine/n Heilige/n gnädig zu stimmen.
Hergestellt wurden diese Votivgaben in den allermeisten Fällen von Lebzeltern – also Lebkuchenbäckern – oder Wachsziehern. Geformt wurden sie mit Hilfe einer hölzernen Gießform (genannt „Model“), in die das heiße Wachs gegossen wurde. Ganz selten gibt es auch Exemplare aus Silber, Holz oder Eisen. Um sie als Kröte zu erkennen, bedarf es jedoch einiger Fantasie, denn diese Opfergaben haben mehr oder minder menschliche Gesichter.
Die meisten Exemplare verfügen über dreizehige Klumpfüße, aber besonders schöne Stücke zeigen sogar feingearbeitete Krallen. Auffällig ist auch der unkrötenhaft breite, fächerförmige Schwanz, der zum Aufstellen auf dem Altar der Wallfahrtskirche oder Kapelle dient. Im Jahr 1929 konnte der Volkskundler Rudolf Kriß noch rund 130 Exemplare entdecken, vorwiegend in Wallfahrtsorten von Niederösterreich, Oberösterreich, Burgenland, Tirol, Steiermark, Kärnten und Bayern. Doch hat sich einerseits die Modernisierung durch Industrialisierung und Fremdenverkehr ungünstig auf alte religiöse Bräuche ausgewirkt, zum anderen wurden diese Opfergaben von vielen Geistlichen als heidnisch angesehen und daher aus der Kirche verbannt. So haben sich nur noch wenige Stücke erhalten, einige davon in Museen wie in unserem Fall. Auch auf Kirchenbildern kann man derartige Krötengaben gelegentlich noch ausmachen.
Kröten können noch mehr
Es mutet paradox an, dass Kröten auch für Schwangerschaftstests eingesetzt wurden, als die heutigen schnellen Testverfahren noch nicht entwickelt waren: Ähnlich wie Frösche reagieren nämlich auch männliche Kröten, wenn ihnen der Morgenurin einer schwangeren Frau injiziert wird. Der südamerikanische Arzt Dr. Carlos Galli Mainini konnte zeigen, dass die Tiere innerhalb von drei Stunden nach der Injektion Spermien produzieren, die unter dem Mikroskop gut zu sehen sind. Seine Ergebnisse fasste er 1949 in einer Arbeit zusammen.
Obwohl die Tiere bei diesem Test weder Schmerzen noch Schaden erleiden, wird man heute ihre Hilfe nicht mehr in Anspruch nehmen. Dennoch könnte man sich die Frage stellen, wie man eigentlich erkennen kann, ob man eine weibliche oder männliche Kröte vor sich hat. Dazu schreibt der Studienautor Ernst Naumann: „Wir haben den Test an der gemeinen Erdkröte Bufo Vulgaris ausprobiert. Wird das Männchen seitlich gefaßt, so quakt es, die Vorderarme sind beim Männchen dicker und fleischiger, an der Innenseite des Daumens und der beiden letzten Finger findet sich eine schwielenartige, rauhe Hautwucherung, die sogenannte Daumenschwiele.“
Hans Hipp: Wachs. Zwischen Himmel und Erde, Verlag Hirmer 2020
Rudolf Kriß: Das Gebärmuttervotiv, Verlag Filser 1929