Adelheid Popp (geb. Dworschak) (1869-1939)

Zehnmal hat sie es im Hohen Haus versucht – zehnmal ließen die KollegInnen sie abblitzen: Die sozialdemokratische Nationalratsabgeordnete Adelheid Popp kann mit Recht als „Oma der Abtreibungsregelung“ bezeichnet werden.

Zum Nachlesen sind hier Adelheid Popps Reden und die zugehörigen Gesetzestexte aus ihrem Kampf um eine liberale Abtreibungsregelung zwischen März 1921 und Dezember 1931.

Seit 1975 ist der Schwangerschaftsabbruch in Österreich dann straffrei, wenn eine Ärztin oder ein Arzt sie innerhalb der ersten drei Monate der Schwangerschaft durchführt (§ 97).

Warum gab es diese Regelung nicht schon viel früher? Und warum die Einschränkung auf Ärztin/Arzt? Bereits ab Anfang 1921 brachte die Abgeordnete Adelheid Popp gemeinsam mit GenossInnen einen viel umfassenderen Vorschlag in den Nationalrat ein.

Die Arbeiterzeitung berichtete darüber: „Die sozialdemokratischen Abgeordneten haben durch die Abgeordnete Adelheid Popp im Nationalrat einen Antrag eingebracht, der den Zwang zur Mutterschaft aufhebt. Bekanntlich erklärt das Strafgesetz die Fruchtabtreibung unter allen Umständen als strafbar. Die Schwangere, die die Abtreibung will, wird als Täterin, und jeder, der mitwirkt, als Mitschuldiger bestraft. Nur bestimmt das Gesetz, daß derjenige, der gegen den Willen der Schwangeren handelt, strenger bestraft wird. Der Antrag Popp verlangt nun, daß die Schwangere straffrei sei, wenn sie die Abtreibung in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft vornimmt. Nimmt sie sie später vor, soll sie gestraft werden, aber nur wegen Vergehens und nicht wie bisher wegen Verbrechens. Ebenso soll jeder gestraft werden, der mitwirkt, gleichgültig wann, wenn er kein Arzt ist, so daß der Rechtszustand folgender wäre: Die Abtreibung ist straflos, wenn sie von einem Arzt in den ersten drei Monaten vorgenommen wird. Die strengen Bestimmungen über die Abtreibung gegen den Willen der Schwangeren bleiben natürlich aufrecht. Der Antrag fordert auch die Beseitigung einer Ausnahmsbestimmung für unverheiratete Frauen. Die Unverheiratete, die niederkommt, wird nämlich bestraft, wenn sie keinen Beistand zur Geburt ruft oder die ohne Beistand erfolgte Geburt nicht innerhalb vierundzwanzig Stunden anzeigt. Da sich die Bestimmung nur gegen Ledige richtet, beweist sie schon, daß sie nicht unbedingt nötig ist, und als Ausnahmsbestimmung, der nur Unverheiratete unterworfen sind, hat sie natürlich keine Berechtigung.“ (Arbeiterzeitung vom 29. Jänner 1921, S. 6.)

Wie wir wissen, wurde der Antrag nicht angenommen. Aber er zeigt, wie früh die sozialdemokratischen Frauen die Brutalität und Ungerechtigkeit der herrschenden Gesetzgebung erkannt und auf Veränderungen gedrungen hatten.

Adelheid Popp wusste, wovon sie sprach: Sie selbst stammte aus allerärmsten Arbeiterkreisen, ihre Mutter hatte 15 (!) Kinder, von denen 10 nicht überlebten. Der Vater war ein alkoholkranker Weber, der nur sehr wenig Geld nach Hause brachte. Sowohl die Mutter als auch die Kinder mussten zum Familieneinkommen beitragen um überhaupt überleben zu können. Adelheid wurde mit zehn Jahren aus der Schule genommen – trotz Schulpflicht und gegen den Rat der Lehrer -, und auf Arbeitssuche geschickt.

Mit ihren Brüdern besuchte sie Arbeiterversammlungen, meldete sich bald zu Wort, um über die Situation der Arbeiterinnen zu sprechen (12-Stunden-Arbeitstag, geringe Bezahlung, keine Krankenversicherung). Sie konnte zwar lesen aber kaum schreiben, beherrschte auch keine Orthographie. Dennoch verfasste sie Artikel, holt mit Hilfe von Freundinnen und im Selbststudium viel von dem nach, was ihr wegen ihrer bloß drei Schuljahre an Bildung fehlte.

Aufgrund ihrer politischen Agitation wurde sie von der Geheimpolizei bespitzelt, angezeigt, manchmal freigesprochen manchmal eingesperrt. Anerkennung und Unterstützung erhielt sie von verdienten Genossen und Vordenkern der Partei, wie August Bebel (1840 – 1913), Viktor Adler (1852- 1918) und Friedrich Engels (1820 -1895). 1892 gründete sie mit anderen die österreichische Arbeiterinnen-Zeitung, 1902 gemeinsam mit Therese Schlesinger (1863 - 1940) den Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen – gegen erheblichen Widerstand der Parteispitze.

 

Die erste Rednerin im Parlament

1918 wurde sie in den Parteivorstand der SPÖ und in den Wiener Gemeinderat gewählt. Im selben Jahr führte Österreich das aktive und passive Wahlrecht für Frauen ein (11 Jahre später als das für Männer). So konnten 1919 endlich auch acht weibliche Abgeordnete ins Parlament einziehen – unter ihnen Adelheid Popp. Sie sprach als erste Frau im Parlament.

In ihren Aufsätzen und Reden befasste sich Adelheid Popp mit den ‚klassischen’ Frauenthemen: Reform des Eherechts, Liberalisierung der Abtreibungsparagrafen, gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Sie führte einen erfolgreichen Feldzug gegen die Behörden in Nieder- und Oberösterreich, weil diese Wöchnerinnen pfänden ließen, die die Kosten für die Entbindung in der Gebärklinik nicht bezahlen konnten. „Die Behörden wollten sich das vierwöchige Krankengeld aneignen, das den Wöchnerinnen zukam!“

In ihrer Forderung eines Verbotes der Nachtarbeit verband sie die Interessen zweier Gruppen, die ihrer Meinung nach eines ganz besonderen Schutzes bedurften: der Frauen und der Jugendlichen.

Weitere Forderungen auf ihrer Agenda waren die Einführung einer Karenzzeit für Mütter und die Errichtung von Entbindungsanstalten, aber auch gesellschaftspolitische Themen wie die Einführung des Frauenwahlrechts oder die Gleichstellung der Frauen in der Ehe. Sie selbst war mit Julius Popp (1849 – 1902) verheiratet, ebenfalls Pionier der sozialdemokratischen Bewegung, der sie bei der Entwicklung ihrer frauenpolitischen Forderungen ebenso unterstützte wie bei der Versorgung von Haushalt und den beiden Söhnen.