Gloria Steinem (geb. 1934)
Die häufig als ‚erste Feministin’ bezeichnete Gloria Steinem (geb. 1934) beschrieb ihre ‚Aktivierung’ in einem Interview:
„Mit Mitte Dreißig nahm ich als Journalistin für das New York Magazine an einem Gesprächskreis zum Thema Schwangerschaftsabbruch teil, der im Keller einer Kirche abgehalten wurde. Ich saß am Rand des Raumes auf einem Fensterbrett und hörte den Erzählungen der Frauen zu. Beispielsweise wie eine von ihnen einer männlichen Spitalskommission im Detail erklären sollte, wie sie schwanger geworden war – das sollte wohl deren voyeuristische Bedürfnisse befriedigen. Man bot ihr schließlich einen Schwangerschaftsabbruch an, allerdings unter der Bedingung, sich sterilisieren zu lassen. Diese Bedingung war im Prinzip nicht ungewöhnlich, für Weiße allerdings schon.
Eine andere erzählte von einem wunderbaren Abbrucharzt aus Pennsylvania, der schon Tausenden von Frauen geholfen hatte. Dafür verlangte er nur sehr wenig und gab ihnen auf dem Weg hinaus noch sozialistische Literatur mit.
Ein Mann hatte seiner Freundin erklärt, dass sie von seinem zweiten Orgasmus nicht schwanger werden könnte. Ich erinnere mich noch an das Gelächter der Leute.
Diese öffentlichen Erzählungen privatester Dinge waren damals völlig neu und sehr berührend. Ebenso die Tatsache, dass es sich bei diesen ernsten Dingen um solche handelte, die ausschließlich Frauen erlebten. Nach meiner bisherigen Erfahrung wurden nur solche Probleme ernst genommen, die auch Männern zustießen. Das entsprach auch meiner persönlichen Erfahrung – ich hatte mit 22 Jahren einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, sprach jedoch mit niemandem darüber.“
Da machte es in Gloria Steinem ‚klick’ und sie verwandelte sich in eine aktive Feministin: „Einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen gilt als Zeichen schlechten Charakters. Aber ich habe mich nie als schlechte Person gefühlt! Ich saß manchmal so da und horchte in mich hinein, rechnete nach, wie alt das Kind jetzt sein würde, und fragte mich, ob ich mich schuldig fühlte. Aber die Antwort war immer ‚Nein’. Ich fand den Ausspruch ganz richtig: ‚Wenn Männer schwanger werden könnten, wäre der Abbruch ein Sakrament.’ Für mich bedeutete der Abbruch, dass ich zum ersten Mal Verantwortung für mein eigenes Leben übernommen hatte. Ich wollte nicht länger, dass Dinge mit mir passierten. Stattdessen hatte ich selbst das Steuer übernommen und war darüber froh. Trotzdem habe ich es niemandem erzählt, denn ich wusste, dass es nicht auf Zustimmung stoßen würde.“
Gloria Steinem begann nach Abschluss des Smith College (größtes Frauencollege der USA in Northampton, Massachusetts) als Journalistin. 1962 veröffentlichte sie einen Artikel im Magazin Esquire, in dem sie als eine der ersten den Druck beschreibt, unter dem Frauen stehen, wenn sie sich zwischen Karriere und Ehe entscheiden müssen. Sie engagierte sich in der feministischen Bewegung, und galt bald als eine feministische Anführerin.
1971 wurde sie Mitbegründerin der National Women's Political Caucus sowie der Women's Action Alliance. 1972 startete sie das feministische Magazin ‚Ms.’, für das sie bis zu dessen Verkauf 1978 schrieb. 1991 gründete Steinem ein weiteres Magazin: ‚Choice USA’, das 2001 von der Feminist Majority Foundation übernommen wurde. Weiters ist sie Mitbegründerin der Coalition of Labor Union Women und nahm 1977 an der ‚National Conference of Women’ in Houston teil. 1993 wurde sie in die amerikanische National Women's Hall of Fame aufgenommen.