Regine Kapeller-Adler (1900-1991)

Einen „bedeutsamen Gewinn für die Frauenheilkunde und Geburtshilfe" nannte die Zeitung ‚Der Wiener Tag‘ im Mai 1933 den neuen Schwangerschaftstest, der wenige Stunden zuvor in der Wiener Biologischen Gesellschaft präsentiert worden war. Entwickelt wurde dieser Test von einer Frau - eine seltene Ausnahme unter all den männlichen Erfindern: Die Chemikerin Dr. Regine Kapeller-Adler, Assistentin am Institut für Medizinische Chemie der Universität Wien. Sie entwickelte eine Nachweismethode für die Aminosäure Histidin, die erst 1896 entdeckt worden war.

„Zunächst hatte die Vortragende eine chemische Farbenprobe so verfeinert, daß die Bestimmung eines bestimmten Körpers, des sogenannten Histidins, ermöglicht wurde. Untersuchungen ergaben, daß gerade dieses Histidin im Schwangerenharn reichlich ausgeschieden wird." Während sich histidinhaltige Harne rötlich bis dunkelrot färben, werden histidinfreie Harne intensiv gelb (grünstichig) bis braun.

Kapeller-Adlers neue Methode war aus zwei Gründen besonders: Zum einen die Geschwindigkeit. „Der große Vorteil dieser neuen chemischen Schwangerschaftsprobe besteht darin, dass sie in vier Stunden durchgeführt werden kann, während die bisher idealste Frühdiagnose [...] bis zu ihrer Ablesung hundert Stunden erfordert."

Der zweite Vorteil war die Einführung einer chemischen statt einer biologischen Reaktion: Die damals gebräuchliche Methode nach Zondek-Aschheim erforderte junge weibliche Mäuse, die zur Ablesung des Ergebnisses ihr Leben lassen mussten.

Da sich Kapeller-Adlers wissenschaftliche Arbeit mit medizinischen Fragen beschäftigte, begann sie 1934 ein Medizinstudium, dessen letztes Rigorosum sie im März 1938 aus politischen Gründen nicht mehr ablegen durfte. Als Jüdin verlor sie auch ihre Anstellung, zuvor war ihr auch die Habilitation verwehrt worden - als Frau und Jüdin.

Auch ihr Mann, Ernst Adler, wurde aus rassistischen Gründen schikaniert und gequält und entging nur knapp der Deportation in das KZ Dachau.

Die Entwicklung des Schwangerschaftstests erwies sich für die Familie als lebensrettend: Das Institute of Animal Genetics Edinburgh bot ihr einen Arbeitsplatz am ersten und damals einzigen Pregnancy Diagnosis Laboratory in Großbritannien an. Von nun an konnte sie ihre akademische Karriere immer weiter fortsetzen und erhielt Anerkennung, Förderungen und Auszeichnungen. Im Juni 1973 wurde ihr das Goldene Ehrendiplom der Universität Wien überreicht.

Kapeller-Adlers Methode war ein wichtiger Schritt, aber noch nicht der endgültige Durchbruch zu den modernen Schwangerschaftstests. Tatsächlich dauerte es bis Ende der 1950er-Jahre, bis die Tests an Tieren aufgegeben werden konnten. Auch die dann entwickelten immunologischen Schwangerschaftstests waren noch nicht perfekt und wurden schrittweise verbessert.

Leben und Werk von Regine Kapeller-Adler wurden in der Ausstellung Die Wiener Medizinische Fakultät 1938 bis 1945 am Josephinum in Wien gezeigt (2018). Im Jahr 2023 widmet ihr der Verein zur Förderung von Wissenschaft und Forschung (vfwf) die Veranstaltungsreihe "Regine Kapeller-Adler Lecture“: https://www.meduniwien.ac.at/web/ueber-uns/events/detail/regine-kapeller-adler-lecture/https://www.derstandard.at/story/2000144088442/wie-ein-schwangerschaftstest-einer-forscherin-im-nationalsozialismus-das-leben-rettete