Simone Veil (1927-2017)
Es war schon eine besondere Häme, als die Initiative der französischen Gesundheitsministerin Simone Veil (1927-2017) zur Freigabe des Schwangerschaftsabbruches mit dem Holocaust verglichen wurde: „Frau Minister, wollen Sie die Kinder ins Gas schicken?“ Denn Frau Veil trug auf ihrem linken Unterarm selbst die Nummer, die man ihr in Ausschwitz eintätowiert hatte. Ihr Vater, der Architekt André Jacob, sowie ihre Mutter und ihr Bruder waren im Holocaust umgebracht worden. Am 29. November 1974 erreichte Simone Veils Initiative in der Abstimmung in der männlich dominierten französischen Nationalversammlung die Mehrheit (284 Pro-Stimmen gegen 189 Ablehnungen): „Der Schwangerschaftsabbruch ist der letzte Ausweg für verzweifelte Situationen. Ich kann all diejenigen beruhigen, die meinen, durch ein derartiges Gesetz würde der weiten Verbreitung der Abtreibung Tür und Tor geöffnet. Diese Ansicht ist falsch, denn keine Frau entschließt sich leichtfertig dafür, ihre Schwangerschaft abzubrechen.“ Mit dem so genannten ‚Loi Veil’ war Frankreich das erste überwiegend katholische Land, das den Schwangerschaftsabbruch straffrei stellte. Kurz darauf folgte übrigens auch Österreich, wo die Fristenregelung per 1. 1. 1975 in Kraft trat. Menschenrechte waren immer schon Veils Anliegen. In ihrer Zeit im Justizministerium sorgte sie für verbesserte Haftbedingungen für weibliche Gefangene, unter denen auch viele Algerierinnen waren, die für die Befreiung ihres Landes von der Kolonialherrschaft gekämpft hatten. Mit 46 Jahren wurde sie von Giscard d’Estaing in sein Kabinett berufen, wo sie als Gesundheitsministerin fungierte. In dieser Zeit sorgte sie auch für einen erleichterten Zugang zu Verhütungsmitteln. Sie selbst war übrigens keine Theoretikerin sondern verheiratet und Mutter von drei Söhnen. 1979 schied sie aus dem Amt aus und wurde bei den ersten Europawahlen Präsidentin des Europäischen Parlaments. In anderen wichtigen Aufgaben war Veil u.a. französische Ministerin für Soziales, Gesundheit und Stadtwesen, von 1998 bis 2007 Mitglied des französischen Verfassungsrates, 2008 wurde sie in die Académie Française berufen; die Liste ihrer Funktionen, Initiativen und Würdigungen ist schier endlos. In nationalen Meinungsumfragen gilt Veil als ein moralisches Vorbild. Die New York Times nannte sie eine Politikerin, die Frankreich inspiriert hat.