Wilde Karotte

Hobbygärtner und Naturliebhaber freuen sich über diese zweijährige Pflanze, deren zarte weißen Dolden mit langen lanzettförmigen Hüllblättchen an feine Klöppelspitze erinnern. In der Mitte sitzt eine größere Einzelblüte in Dunkelpurpur. Daher kommt auch der Name ‚Queen Anne’s Lace’: Der Legende zufolge stach sich Königin Anne von England (1665-1714) in den Finger und Blut tropfte auf den weißen Spitzenkragen, an dem sie gerade nähte.

In den 1970er Jahren war die wilde Karotte noch auf beinahe jeder Wiese zu finden. Durch Überdüngung und zu häufiges Mähen ist sie jedoch sehr stark verdrängt worden und gebietsweise vollkommen verschwunden. Inzwischen wird das einst als ‚Unkraut’ verschmähte Gewächs gerne  aus optischen Gründen wieder angepflanzt. Für viele Insekten ist die wilde Karotte eine wichtige Nahrungsquelle, da sie im Sommer viele Wochen lang blüht und reichlich Pollen und Nektar liefert.

Im Prinzip sind die Wurzeln essbar, aber holzig und hart. Im Frühling können die jungen Blätter für Salate verwendet werden. Wegen ihres hohen Zuckergehaltes wurden die Wurzeln von manchen Völkern eingesetzt, um Puddings und andere Lebensmittel zu süßen.

Es besteht Verwechslungsgefahr mit dem tödlichen Schierling. Außerdem kann der Kontakt mit der Pflanze bei entsprechend disponierten Menschen zu einem allergischen Kontaktekzem oder zu Photodermatitis führen.

Für medizinische Zwecke werden die Samen verwendet. Sobald sie braun und trocken sind, schneidet man die Stängel mehrere Zentimeter unterhalb des Blütenkopfes ab, dreht sie um und reibt die Köpfe aneinander, bis die Samen herunterfallen. Anschließend werden sie in Wasser gespült, getrocknet und in einem lichtdichten Gefäß aufbewahrt.

Die Pflanze enthält eine Vielzahl pharmakologisch wirksamer Inhaltsstoffe, denen man unter vielen anderen auch die folgenden Wirkungen zuschreibt: Schmerzmittel, antiarthritisch, antidepressiv, Neuroleptikum, antischizophren, Antidot, entzündungshemmend, antibakteriell, antikonvulsiv, antidiabetisch, antiestrogen, Antihistaminikum, Antioxidationsmittel, antiseptisch, krampflösend, Antiepileptikum, angstlösend, stresslösend, anti-PMS (Prämenstruelles Syndrom), anti-Hangover, antiviral, Krebs-vorbeugend, schleimlösend, fungistatisch, immunostimulierend, MAO-Inhibitor, beruhigend, Tranquilizer, Aphrodisiakum, Hypophysen-Aufputschmittel.

Für den Einsatz als Verhütungsmittel werden die Samen zerstoßen oder als Tee aufgebrüht und bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr mehrere Tage lang eingenommen. Wenn sie in hoher Dosierung als nachträgliche Verhütung angewandt werden, sollen sie angeblich den Eintritt einer Schwangerschaft verhindern. Im Unterschied zur medikamentösen ‚Pille danach’ blockieren sie dabei nicht schon die Befruchtung des Eies (durch Lähmung der Spermien), sondern verhindern die Einnistung des bereits befruchteten Eies in der Gebärmutterschleimhaut.

 

 

Quellen:

John M. Riddle, Eve’s Herbs, A history of contraception and abortion in the west, 1997

John M. Riddle, Contraception and abortion from the ancient world to the renaissance, 1992

Helga Dietrich und Birgitt Hellmann, Vom Nimbaum bis zur Pille, 2006