Abtreibung in der Antike
Ägypten
Erste Hinweise auf die Verbreitung von Schwangerschaftsabbrüchen in den frühen Hochkulturen liefert der altägyptische Papyrus Ebers, ca. 1600 v. Chr. Er beschreibt Mittel, durch die „die Frau das Empfangene ausleert im ersten, zweiten oder dritten Zeitabschnitt“. Dafür werden verschiedene Kräutertränke, aber auch Scheideneinspritzungen und Vaginalkugeln angegeben.
Griechenland
Obwohl Fruchtbarkeit im antiken Griechenland ein hohes Gut war - besonders wenn sie zu einem männlichen Erben führte - so wurden kinderreiche Familien nicht immer als gesellschafts- und bevölkerungspolitisches Ideal gesehen. Vor allem Plato und Aristoteles postulierten, der Staat sollte weder zu groß noch zu klein sein. Aristoteles sah in der frühen Abtreibung ein geeignetes Mittel, um eine gleich bleibende Bevölkerungszahl zu erhalten. Plato riet den Frauen, „am liebsten dafür zu sorgen, dass die Frucht, wenn sie erzeugt ist, gar nicht das Licht erblicke, sofern es aber nicht verhindert werden kann, es so zu halten, als gäbe es keine Nahrung für einen solchen“. Die griechische Polis sprach dem ungeborenen Kind weder Lebensrechte noch eine Seele zu.
Der Schwangerschaftsabbruch wurde meistens von Hebammen statt von Ärzten durchgeführt. Hippokrates empfiehlt drei Kategorien verschiedener Mittel für einen Schwangerschaftsabbruch:
- Die inneren Mittel, wie Abführ- und Brechmittel.
- Mittel, die direkten Druck auf den Uterus ausüben, wie Pessare, die mit scharfen Substanzen getränkt waren.
- Mechanische Einwirkung durch Drücken des Körpers (Tragen von schweren Lasten) oder Erschütterung des Körpers (Springen und Hüpfen).
Ein stufenweises Vorgehen sollte den gewünschten Erfolg garantieren. Die erste Gruppe sollte den Embryo schwächen, die zweite den Uterus öffnen und die dritte zum Abgang der Frucht führen.
Entgegen einer häufigen Ansicht enthält der Hippokratische Eid keineswegs ein absolutes Abtreibungsverbot. Er schreibt: „Nie werde ich, auch nicht auf eine Bitte hin, ein tödlich wirkendes Gift verabreichen oder auch nur einen Rat dazu erteilen; gleicherweise werde ich niemals einer Frau ein fruchtabtreibendes Zäpfchen geben.“ Neuere Forschungen zeigen, dass hier vom Gebrauch eines spezifischen Wirkstoffes in einer bestimmten Applikationsform abgeraten wird. Es handelt sich um kein generelles Verbot der Verabreichung von Abortiva.
Rom
Die Einstellung der Römer ähnelte der der Griechen: Nachwuchs war erwünscht, solange er das Erbe und die Altersvorsorge sicherte. Eine größere Kinderanzahl galt hingegen als Existenzgefährdung.
In Zusammenhang mit Kindern wurden auch gesellschaftlich-soziale Probleme diskutiert: Die Aufzucht von Kindern hält Mitglieder der Oberschicht von ihren Gastmahlen und Theatereinladungen ab. Frauen machen sich Sorgen um ihre Schönheit oder müssen es vertuschen, wenn das Kind aus einer außerehelichen Beziehung hervorgeht.
Die Unterschicht sorgt sich um die ausreichende Ernährung bei einer größeren Familie. Prostituierte sorgen sich um ihre Arbeitsfähigkeit.
Auch in Rom hatte ein Fötus weder Lebensrecht noch Seele, sondern wurde als Teil des Körpers der Mutter angesehen. Hierzu lässt sich nachlesen: „Die Leibesfrucht ist nämlich, bevor sie geboren wird, ein Teil der Frau beziehungsweise der Eingeweide“ und „Man sagt, eine noch nicht geborene Leibesfrucht war kein richtiger Mensch“. Hinweisen zufolge kann man annehmen, dass Schwangerschaftsabbrüche meist zwischen dem dritten und siebten Monat stattgefunden haben.
Die römischen Ärzte verfügten bereits über ein sehr differenziertes und reichhaltiges Wissen, mit dem sie der großen Nachfrage nach Mitteln und Methoden zur Abtreibung nachkommen konnten. Vermutlich kannte man schon über zweihundert Abortiva, von denen ca. 90 Prozent recht wirksam waren. Ärzte wie Dioskurides oder Soranus von Ephesos führten in ihren Schriften die genauen Namen der Arzneimittel an, die für einen Schwangerschaftsabbruch verwendet werden konnten.
So genannte Austreibungsmittel führten zu Blutungen aus der Gebärmutter und zu Gebärmutterkontraktionen. Zu ihnen gehörten u.a. Nießwurz und Bibergeil. Andere Drogen, die ätherische Öle oder Bitterstoffe enthielten, sollten eine Totgeburt verursachen. Vor der Einnahme standen entsprechende Vorbereitungen: Hungerkuren und Aderlässe sollten den Körper schwächen. Spülungen und Bäder sollten gezielt die Vaginalschleimhaut reizen.
Nach: Robert Jütte ‚Geschichte der Abtreibung. Von der Antike bis zur Gegenwart’
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