1938: Anonymes Ansuchen um Hilfeleistung für abgestrafte Hebammen
Wien, am 1. April 1938
Euer Wohlgeboren!
Bitte diese Zeilen, nicht verächtlich in den Papierkorb zu werfen, sondern gnädigst zu lesen. Es schreibt eine verachtete Hebamme, welche einst mit Freude Ihren Beruf erlernte, dann durch Ihre eigene Not und die Not der Frauen, sich zur Kindesabtreibung herbei ließ.
Nachdem, jetzt soviel verziehen wird, durch die jetzige langersehnte Regierung, so bitte ich uns armen, abgestraften Hebammen, Arbeit zu geben, damit wir nicht abtreiben müssen, da wir doch auch leben wollen. In Wien geht die bessere Frau zum Hausarzt und die arme zur Hebamme, manche Frauen sind so geschickt, das sie sich gegenseitig helfen, da man die Katheder und Bugies, frei in allen Drogerien bekommt, manche habens in der Auslage frei ausgestellt. Uns abgestraften Hebammen finden die Leute leicht, da wir trotz Abstrafung, die Namenstafel am Haustor haben, um das kümmerte sich die Regirung nicht und wir mussten leben.
Nachdem jetzt der Paragraph verschärft ist, fahren die Frauen, nach Pressburg, dort wird es anstandslos gemacht. Bitte nochmals uns abgestraften Hebammen zu helfen, da wir arbeitslos, oder Witwen sind, und gerne bereit sind, ehrlich zu arbeiten.
Quelle: Archiv der Republik, Wien; Karton 2349/1938, Hebammen, 35.113-10/38