1974: Abtreibung – Ein Erfahrungsbericht von Gerda

Trotz mehrerer Abtreibungsversuche meiner Mutter wurde ich geboren. Unehelich. 28 Jahre später - Ende Februar 1974: meine Regel kommt nicht. Ich bin sehr überrascht, weil ich auch die letzten vier Jahre nicht verhütet habe. Anfang März bestätigt sich, dass ich höchstwahrscheinlich schwanger bin. Fasse den Plan, Ende März nach Frankreich zu einer Frauengruppe zu fahren, die die Absaugmethode anwendet. Knapp davor äußert meine Gynäkologin den Verdacht einer Scheinschwangerschaft und verschreibt Primosiston. Daraufhin sage ich die Frankreichreise ab. Doch ein paar Tage später ist der Schwangerschaftstest positiv.

Die Gynäkologin bestellt mich für nach Ostern wieder. Inzwischen höre ich von einem Frauenarzt, der in einer Klinik Abtreibungen auf Krankenkassenkosten macht. Dazu schreibt er eine Empfehlung an einen Neurologen, dieser eine Indikation für die Ambulanz. Es kostet entweder gar nichts oder 500 Schilling für den Gynäkologen und 600 Schilling für den Neurologen. Am 11. April habe ich einen Termin. Der Gynäkologe meint, mir nur mit einer Indikation auf Krankenkassenkosten helfen zu können, sonst nicht. Bestätigt die Schwangerschaft, allerdings könne der Fötus schon abgestorben sein. Ich zahle 500 Schilling. Eile zum nächsten Arzt: „Aber Liebes, was wollen sie denn, die Gebärmutter ist ganz normal für den dritten Monat“. Ich borge mir 5.000 Schilling aus und plane mit meinem Freund nach Zagreb zu fahren.

Forsche nach weiteren Krankenkassenmöglichkeiten. Der Neurologe bestätigt mir die Indikation, was ich sofort dem Gynäkologen mitteile. Dieser wartet auf die Zusendung, also nächste Woche in der Ambulanz. Ich bin bereits im 2. Drittel des 3. Monats. Die schriftliche Indikationsstellung langt beim Gynäkologen nicht ein. Der Neurologe verspricht eine Abschrift, die ich mir am 26.4. hole, um umgehend aufgenommen werden zu können. Doch zuerst muss ich zur Fürsorge. Die Bestätigung kann ich nur überfliegen, schon wird sie mir aus der Hand genommen. Diagnose: depressiv und irgendwas mit Schizophrenie. Nach weiteren vier Stunden Warten meint eine Ärztin, die Gebärmutter sei für einen Abbruch zu groß, aber man könne mich sterilisieren, weil sich mein psychischer Zustand ohnehin nicht bessern würde.

Zurück zum Gynäkologen: Er will es sich noch eine Woche überlegen, weil es schon sehr spät sei. Bezüglich Sterilisation meinte er: Da die Schwangerschaft jetzt schon im vierten Monat sei, müsse er sowieso die Bauchdecke und die Gebärmutter öffnen, da wäre die Sterilisation auch kein Problem mehr.

Ich leihe mir Geld und fahre am 12.4. nach Zagreb. Kosten: 3.000 Schilling inklusive Übernachtung und Blutstillungstabletten sowie Sulfonamide für eine Woche. Das Krankenhaus war das wunderbarste Gegenteil zu unseren Frauenkliniken – ohne Trennung zwischen ‚Mörderinnen’ und ‚Müttern’. Ganz ohne Katastrophenstimmung.

 

Quelle: AUF Eine Frauenzeitschrift (Aktion Unabhängiger Frauen), Nr. 1, Wien, 1. Oktober 1974, Seite 31