G wie Gräfenberg - Ein steiniger Weg zum Erfolg

Weil es sich ja um die ‚schönste Sache der Welt‘ handelt, und wir daher nicht immer bierernst sein wollen, unterhalten wir Sie heute mit einem besonderen Stück aus unserer Sammlung: 7 Zentimeter hoch ist das abgebildete Häferl mit der Aufschrift ‚Gräfenberg‘. Nur unbelehrbare Realisten vermuten einen Zusammenhang mit dem 4000-Einwohner-Ort Gräfenberg in Bayern, im Jahre 1172 erstmals urkundlich erwähnt.

 

Uns scheint hingegen viel plausibler, dass es sich um einen versteckten Hinweis auf die Leistungen des deutschen Mediziners Ernst Gräfenberg (1881-1957) handelt. Wer jetzt schmunzelt, hat sich verraten! Es stimmt, Gräfenberg beschrieb im Jahr 1944 den nach ihm benannten ‚G-Punkt‘, die erogene Zone in der Vagina.

 

Spaß beiseite: Ernst Gräfenberg ist auch wegen seiner Entwicklung einer Verhütungsmethode ab 1928 von großer Bedeutung: Es handelt sich um einen mit Silberdraht umwickelten Silkring bzw. Silberring, der so in die Gebärmutter eingeführt wird, wie wir das von den heutigen Spiralen kennen. Zuvor waren Hartgummi- oder sogar Metall-Stiftpessare verwendet worden, die nicht nur äußerst unbequem, sondern sogar gesundheitsgefährdend waren, denn sie führten sehr oft zu Verletzungen oder aufsteigenden Entzündungen. Daher war es wichtig, „dass der intrauterine Ring wirklich im Uterus liegt und keine Verbindung zur Scheide unterhält, aus der Bakterien aufsteigen können.“

 

Trotz dieses wesentlichen Unterschiedes zu vorangegangenen Entwicklungen stieß der Gräfenberg-Ring auf viel Ablehnung, da „die Empfängnisverhütung ein in Deutschland ethisch bedenkliches Thema war.“ So führte das Thema „Sterilisierung und Konzeptionsverhütung“ beim Deutschen Gynäkologenkongreß 1931 zu „lebhaften und überwiegend kritischen Diskussionen“. Andere Quellen sprechen von einem „viel zu geringen Interesse der Ärzteschaft für die Sexualberatung und besonders für das Verlangen des Volkes nach Empfängnisverhütung.“[1]

Wenige Jahre später – am 25. Oktober 1935 in München – veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie sogar eine Totalabsage: Die Anwendung von intrauterinen ‚Schutzmitteln‘ zum Zweck der Empfängnisverhütung wäre gesundheitsschädlich und lebensgefährlich für die deutsche Frau. Tatsächlich verbot das so genannte Dritte Reich die Herstellung und Anwendung von Intrauterinpessaren, der Jude Ernst Gräfenberg konnte Deutschland noch verlassen und über Sibirien und Japan in die USA emigrieren. 

 

Erst in den 1960er-Jahren wurde Gräfenbergs Methode rehabilitiert und aufgrund seiner beiden Vorteile zum Vorläufer neuerer Entwicklungen: Zum einen hatte sein Verhütungsring wie schon erwähnt keine infektionsanfällige Verbindung zu Scheide und Gebärmutterhals, zum anderen war Gräfenberg mit dem ‚Prinzip des Formwechsels‘ – also der Flexibilität während des Einsetzens – ein wesentlicher Schritt gegenüber den starren Vorgänger-Entwicklungen gelungen.

 

Der Gräfenberg-Ring ist heute (in modifizierter Form nur) in China noch in Gebrauch. Für viele Weiterentwicklungen war er der Wegbereiter. Mehr dazu auf unserer Spiralenwand https://www.muvs.org/de/verhuetung/spiralen/ sowie in unserem Audioguide: https://www.muvs.org/de/museum/audioguide/die-spirale/

 

Soweit nicht anders angegeben stammen die Zitate aus: H. Ludwig, Verhütung der Empfängnis – Verhängnis der Verhütung – Die Leistungen Ernst Gräfenbergs und die Reaktion der Gynäkologie seiner Zeit, Zbl. Gynäkol. 105 (1983) 1197-1205

 

[1]Wortmeldung von N. Goldberg anlässlich der Sitzung der Gynäkologischen Gesellschaft zu Breslau am 18. 2. 1930, Zentralbl. Gyn 1930, 23, 1447ff.