Von erfüllten und unerfüllten Wünschen eines Museums

Genügsamkeit und Bescheidenheit mögen Tugenden im privaten Leben sein – für uns Museumsleute sind sie es nicht. Im Gegenteil! Obwohl sich unsere Sammlung innerhalb von 16 Jahren von kleinsten Anfängen bis zu einem Inventar von rund 2.200 Objekten entwickelt hat, gibt es noch unerfüllte Wünsche. Einer unserer Herzenswünsche heißt ‚Frosch‘. 

 

Von den 1940er- bis zu den 1960er-Jahren war der Froschtest der weltweit gebräuchliche Schwangerschaftstest: Der Apotheker injizierte den Morgenurin einer möglicherweise schwangeren Frau einem geschlechtsreifen Froschweibchen. Laicht die Fröschin innerhalb von 18 Stunden, ist der Nachweis der Schwangerschaft erbracht. Schneller geht es bei Verwendung männlicher Frösche: Im positiven Fall produzieren sie Spermien bereits innerhalb weniger Stunden. Anders als bei unseren heutigen immunologischen Tests (Teststäbchen) muss mit diesem Verfahren allerdings bis einige Wochen nach Ausbleiben der Regel gewartet werden. 

 

Schaut man sich die Geburtenzahl im fraglichen Zeitraum an – beispielsweise 100.000 – 120.000 pro Jahr allein in Österreich - kann man sich leicht vorstellen, wie häufig der Froschtest zum Einsatz kam. Freiwillig oder unfreiwillig, wie auch in einem Bericht des Spiegel vom 5. Dezember 1966 zu lesen ist: „Großbetriebe in Düsseldorf und Bocholt fordern Stellen-Bewerberinnen auf, sich zwecks Feststellung der Schwangerschaft ‚freiwillig‘ dem Frosch-Test zu unterziehen. Da müsste es doch noch jede Menge ‚Überbleibsel‘ geben: Überweisungen und Befunde, Bestellscheine und Lieferscheine, Erwähnungen in Briefen und Romanen, Hinweisschilder von Apotheken und Labors, Logos, Amulette, Fotos, Spaßpostkarten … Einiges davon hat seinen Weg zu uns gefunden, aber noch viel zu wenig. Schon bald werden die Zeitzeugnisse dieser historischen und weitverbreiteten Methode des Schwangerschaftsnachweises verloren sein, wenn wir sie nicht bewahren. 

 

Der Fachausdruck für derartige offene Wünsche lautet Desiderata, sehr passend gewählt, leitet er sich doch von „von den Gestirnen, sidera, herabgefleht“ ab. Gerade jetzt ist ein anderer unserer herabgeflehten Wünsche in Erfüllung gegangen: Eine simple weiß-grüne Kartonschachtel mit dem Aufdruck ‚Anovlar‘. 

Anovlar wurde als erste Antibabypille in Deutschland am 1. Juni 1961 von der Pharmafirma Schering auf den Markt gebracht. Obwohl sie in den ersten Jahren von ÄrztInnen nur sehr zögerlich verschrieben wurde, ist sie doch symbolisch für den langersehnten Schritt zu einer wirksamen Verhütung. Überraschenderweise haben sich von dieser historischen ersten Packung nur ganz wenige Exemplare bis heute erhalten. Umso mehr freuten wir uns, als wir in einem Päckchen von einem großzügigen Spender aus Deutschland eine originale Packung Anovlar entdeckten. (Wir müssen allerdings anfragende Ausstellungsgestalter enttäuschen: Sie wird nicht als Leihgabe aus dem Haus gegeben.)

 

https://muvs.org/de/themen/verhuetung/die-pillenstory-eine-vergessene-revolution/

https://muvs.org/de/themen/pionierinnen/ferdinand-peeters-1918-1998/