40 Jahre DDR-Gesetzgebung
„Die Gleichberechtigung der Frau in Ausbildung und Beruf; Ehe und Familie erfordert, daß die Frau über die Schwangerschaft und deren Austragung selbst entscheiden kann.“ Am 9. März 1972 wurde in der ehemaligen DDR ‚Das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft’ beschlossen. Danach wurde Frauen „das Recht übertragen, über die Unterbrechung einer Schwangerschaft in eigener Verantwortung zu entscheiden“, um die Anzahl, den Zeitpunkt und die zeitliche Aufeinanderfolge von Geburten zu bestimmen. Es berechtigte schwangere Frauen, die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach deren Beginn durch einen ärztlichen Eingriff in einer geburtshilflich-gynäkologischen Einrichtung abbrechen zu lassen. Vorbereitung, Durchführung und Nachbehandlung des Schwangerschaftsabbruches wurden arbeits- und versicherungsrechtlich dem Erkrankungsfall gleichgestellt.
Damit war die DDR-Regelung sehr progressiv, denn Frauen waren prinzipiell zum Schwangerschaftsabbruch berechtigt, wenn sie nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstießen. Im Gegensatz dazu ist der Schwangerschaftsabbruch beispielsweise in Österreich immer noch verboten, jedoch sind die Ausnahmen definiert.
Auch bezüglich Verhütung war die DDR-Gesetzgebung richtungsweisend: Die Abgabe ärztlich verordneter Mittel zur Empfängnisverhütung an sozialversicherte Frauen war unentgeltlich. Auch das ist ein Ziel, das Österreich bis heute nicht erreicht hat.
Grund für die Verabschiedung des Gesetzes in der DDR war die hohe Zahl illegaler Schwangerschaftsabbrüche mit jährlich 70 bis 80 Todesfällen und die daraus folgende Einsicht, dass (finanzielle) Hürden zur Schwangerschaftsverhütung und ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen keine geeigneten Instrumente zur Geburtenförderung darstellen. Stattdessen wurde ab den frühen 1970er Jahren eine Reihe von geeigneten sozialpolitischen Maßnahmen beschlossen Subventionierte Mieten für Familien mit geringem Einkommen, eine reduzierte Wochenarbeitszeit bei vollem Lohn und ein höherer Urlaubsanspruch für Frauen mit mindestens drei Kindern, die Verlängerung der bezahlten Freistellung nach einer Geburt von zwei auf drei Monate sowie für junge Ehepaare die Einführung eines zinslosen Darlehns mit langer Laufzeit, auf dessen Rückzahlung bei der Geburt von Kindern Abschläge gewährt wurden.
Ende der 1980er Jahre lag die DDR in Bezug auf die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche pro ausgetragener Schwangerschaft etwa gleich mit der BRD: etwa 1 Abbruch pro 3 Geburten.
Nachtrag: Eine Frau durfte in der DDR einen Schwangerschaftsabbruch maximal 2mal jährlich durchführen lassen. Diese Regelung lässt sich unterschiedlich interpretieren: Für die einen sollte damit klar gemacht werden, dass ein Abbruch keinen Ersatz für konsequente und wirksame Verhütung darstellt; für die anderen handelt es sich hier um eine Maßregelung gesellschaftlich unerwünschten Verhaltens.