Die Sprache der Verhütung: Tarnen und täuschen.
Der klare Begriff ‚Antibabypille’ wurde erst in den 1960er-Jahren gesellschaftlich akzeptabel. Zuvor mussten Namen gleichzeitig verschleiern und viel versprechen. So etwa bei der Tablette ‚Anti-Es’: Sie wurde in die Scheide eingeführt und sollte die Wanderung der eingedrungenen Spermien blockieren.
Ähnlich war das Wirkprinzip von ‚Spermatothanatos’ – auch diese Tablette mit dem bedrohlichen Namen (Thanatos = Tod) sollte die Spermien zu bewegungsunfähigen Krüppeln machen, damit sie kein Unheil anrichteten, sich also nicht mit der weiblichen Eizelle vereinigten. Diese verbale Aggressivität gegenüber den so genannten ‚Samentierchen’ ist verständlich, denn bis zur Entwicklung der Pille musste sich frau als hilflose Gebärmaschine erleben. Beispielsweise acht Schwangerschaften in sechs Jahren – wo es um das schiere Überleben der Frau ging, war kein Platz für verniedlichende Umschreibungen.
Ein ordentlicher Wasserguss war das zweite Wirkprinzip, um eine Empfängnis zu verhindern: Scheidenspülungen, für die Frau nicht angenehm und außerdem in ihrer Wirksamkeit sehr begrenzt. Auch hier musste man das Werbeversprechen erahnen, etwa aus Namen wie ‚Niagara’, ‚Defender’ oder ‚Frauendusche’.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren Verhütung und Schwangerschaftsabbruch zwar genau so wichtige Themen wie heute, doch waren sie als Gesprächsthemen tabu. Daher wurde umschrieben und codiert. Oft mit Hilfe von Fremdsprachen wie etwa beim altgriechischen ‚Spermatothanatos’, oder durch sprachliche Verschleierungen wie ‚Ehehygiene’, ‚Menschenliebe’ oder ‚Damenlob’. Auch die Beifügung ‚Schutz-’, ‚Sicherheits-’ oder ‚Vorbeugungs-’ an unverdächtige Begriffe wiesen dem Kundigen den Weg: Etwa ‚Schutzkappe’ oder ‚Sicherheits-Ovula’.
ZeitungsleserInnen wussten Annoncen und Ankündigungen zu deuten, bei denen es um ‚weibliche Störungen’ oder ‚Hilfe bei Unregelmäßigkeiten’ ging – hinter diesen Codes verbargen sich Angebote für (heimliche) Schwangerschaftsabbrüche, die noch bis 1975 unter Strafe standen.
Noch mal anders ist die Namensgebung von Kondomen: Hier lassen sich der Wandel ihres Einsatzes aber auch ein deutliches Stück Sexualität ablesen. Parallel zur Einführung der Antibabypille gab es auch ein ‚Anti-Baby-Condom’: Schwangerschaftsverhütung war angesagt. Auf eine ‚natürliche’ und ‚sanfte’ Alternative zur Pille setzten hingegen ‚Birds’n Bees’. Auf Liebesglut und Leidenschaft deuteten ‚Bolero’, ‚Joy’, ’Gefühlsecht’, ‚Pleasure plus’ und ‚Romantic’. Den Schutz vor HIV signalisieren Namen wie ‚Je me protège’, ‚Life Guard’, ‚Protector’ und ‚Stopp Aids’. Ein ordentliches Stück male chauvinism beweisen ‚Big Ben’, ‚Rough Rider’, ‚Pride’, ‚Playboy’ und ‚enormex’. Und viel guter Wille ist schließlich hinter der Namensgebung ‚Teenage Mum’ zu erkennen.