Englisches Album mit Verhütungsmittel-Werbungen

Rund 400 Broschüren, Preislisten, Etiketten, Werbeschilder und Zeitungsanzeigen vorwiegend für Verhütungsmittel enthielt ein dunkelrotes Album aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, das im Jahre 2005 durch eine Schenkung der englischen Familienplanungsorganisation in den Besitz des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch gekommen ist.

Die meisten Dokumente sind auf Englisch; nur 21 sind auf Deutsch und 3 auf Französisch. Der Urheber des Albums und der ursprüngliche Verwendungszweck sind unbekannt.

Das Album selbst war durch schlechte Lagerung stark beschädigt und löste sich auf. Da es keinen zusätzlichen Informationswert aufwies und um eine weitere Verunreinigung der einzelnen Dokumente zu verhindern, wurde es aufgegeben. Papierrestauratorinnen lösten die einzelnen Seiten heraus und verstauten sie in chemisch geeigneten Mylarhüllen.

http://de.muvs.org/verhuetung/v-media/album-id2159/

 

Inhalt:

Die Dokumente waren innerhalb des Albums alphabetisch geordnet und meistens fest eingeklebt. Mehr als die Hälfte (52%) befassen sich mit Scheidenbarrieren, in den meisten Fällen handelt es sich um Werbung für antiseptische, spermizide, schäumende Vaginalzäpfchen.

Ungefähr ein Fünftel (18%) betrifft Werbungen für bzw. Verpackungen von Kondomen.

8% sind Kataloge, in denen für mehrere Produkte geworben wird. Häufig werden Chininzäpfchen (so genannte ‚Chinin-Pessare’) genannt. Der Wirkstoff Chinin löst in hoher Dosierung Gebärmutterkrämpfe aus, die einen Abort herbeiführen können. Hier handelt es sich also um Hilfsmittel für Schwangerschaftsabbrüche, jedoch wird das in der Werbung niemals explizit erläutert (Beispiele: a2422, a2430, a2449, a2136, a2473).

Nur 3% der Dokumente betreffen den Gebrauch von Scheidenspülern.

Die restlichen Artikel umfassen allgemeine Literatur zum Thema Geburtenkontrolle, sowie Bestellscheine für Verhütungsprodukte und Werbeschilder.

 

Argumentationen:

Die häufigen Verweise auf wissenschaftliche Erkenntnisse über die ‚Notwendigkeit der Verhütung’ zeigen, wie sehr das Thema noch einer grundsätzlichen Rechtfertigung bedurfte (Beispiel: a2423). Das Beispiel a2395 verweist auf die Meinung des ‚House of Lords’, wonach Verhütungsmittel der ärmeren Bevölkerungsschicht zugänglich gemacht werden müssten.

Eine andere Referenz sind die Erkenntnisse von Thomas Robert Malthus, etwa bei den Neo-Malthusischen Produkten (a2486).

Wiederkehrendes Sujet der Verhütungsmittelwerbung ist auch die ‚ärztliche Empfehlung’, welche sowohl in Wort (Beispiel a2112) als auch Bild (Beispiel a2788) betont wird.

Politisch und sozial interessante Beispiele sind a2395 (über die Patriotische Pflicht, für das Wohl des Vaterlandes eine Überbevölkerung zu verhindern) und a2441 (über Sicherung des familiären Glücks durch Planung, sowie die Unzumutbarkeit einer Geburt im Falle der Erkrankung einer Frau). Dazu passt die idealisierte Darstellung des Familien- und Eheglückes, das durch Anwendung des beworbenen Produktes erlangt werden kann (Beispiel a2423 zweites Bild oder a2489).

Um den Bestellvorgang zu erleichtern bzw. aus der Sichtbarkeit durch Fremde herauszuhalten, wurden häufig Bestellscheine angeboten (Beispiel: a2250).

 

Gestaltungsweise:

Auffallend ist die Kommunikation von ‚Natürlichkeit und Reinheit’ des Themas. Die Werbungen sind in klarem und übersichtlichem Stil gestaltet und wirken betont harmonisch und unbedrohlich. Die verwendeten Schriften sind zeittypisch (Serifenschrift).

Die häufige Farbkombination von Blau- und Grautönen vermittelt Ruhe und Beständigkeit. Im Allgemeinen wurde auf photographische Abbildungen verzichtet. Abbildungen von Produkten sind meist fein illustriert und ästhetisch dekorativ (Beispiel a2449). Gegebenenfalls wird die technische Anwendung eines Produktes demonstriert (Beispiel a2413).