Erster Weltkrieg: Kondome werden Usus
Zu den fast vergessenen Schrecklichkeiten des Ersten Weltkriegs gehört die weite Ausbreitung der gefürchteten Geschlechtskrankheiten Syphilis (Lues) und Gonorrhoe (Tripper) und daraus folgend die Popularisierung des Kondoms. „Über die Gefahren, die der Kampffähigkeit und der Schlagkraft der Truppen von seiten der Geschlechtskrankheiten drohten, waren sich im Weltkrieg mehr oder minder alle kriegsführenden Staaten im klaren."
Die Behandlungsmöglichkeiten waren gering, entsprechende Medikamente noch nicht entwickelt. Doch die Schutzwirkung durch Kondome war bekannt. Daher wurden beispielsweise deutsche Soldaten mit ‚amtlich verteilten’ Kondomen versorgt; durch ‚Belehrungen der Mannschaft’, Warnungen und Untersuchungen sorgten die Behörden auch für die tatsächliche Verwendung. Großbritannien und die Vereinigten Staaten zögerten, denn Moralisten in den Heimatländern fürchteten, dass der außereheliche Geschlechtsverkehr durch den leichten Zugang zu Kondomen gefördert würde. Erst ab Jahr 1917, als bereits ca. 5 Prozent der Soldaten auf britischer Seite wegen Geschlechtskrankheiten für Wochen ausfielen, wurden Kondome verteilt.
Die amerikanischen Streitkräfte verloren durch diese Krankheiten fast sieben Millionen Personentage und mussten rund 10 000 erkrankte Soldaten aus der Armee entlassen. Im Gegensatz zu den heutig verwendeten hauchdünnen Latexkondomen wurden von den amerikanischen Militärbehörden schließlich deutlich dickere Gummikondome ausgegeben, die mehrfach verwendbar waren. Bereits infizierte Männer wurden mit dem so genannten ‚Dough Boy Prophylactic’-Päckchen versorgt.
Speziell eingerichtete Kriegsbordelle machten die Verwendung eines Kondoms zur Pflicht und sorgten auch für die regelmäßige medizinische Untersuchung der Frauen. Anders verhielt es sich mit der unkontrollierten Prostitution. Ein österreichischer Beobachter schrieb 1915: „Die dem Verkehr mit diesen entspringende Verlustziffer unseres Heeres durch Erkrankungen soll denn auch sehr bedeutend sein ..."
Die Auswirkungen des 1. Weltkrieges beeinflussten auch die Sozialgesetzgebung. Bereits eine Woche nach Kriegsausbruch nahm beispielsweise der Deutsche Reichstag eine Petition des Bundes für Mutterschutz an, wonach die schon geplante Ausweitung der Unterstützung für Kriegshinterbliebene auch für ‚unehelich’ hinterbliebene Frauen und Kinder gelten sollte.