Warum so eilig? Spermien sind Weltrekordler

Die erstaunliche Kraft der Ejakulation wirft die Frage auf, wofür sie eigentlich nötig ist. Geht es nicht auch langsamer?

Teil 1 der Spermienreise reicht von den Hoden bis zur Peniswurzel, gewissermaßen der Absprungbasis. Die Entfernung ist weit, aber feine Muskelfasern ziehen sich zusammen und unterstützen das Vorankommen: Aus den Hoden wandern die Spermien durch eine Reihe von Kanälchen in die Nebenhoden, wo sie innerhalb weniger Stunden reifen. Dann geht es weiter durch die gewundenen Samenleiter. Dieser Teil ist etwa 50 bis 60 cm lang und führt durch den Leistenkanal in den Bauchraum. Vor der Harnblase erweitern sich die Samenleiter zu einem Reservoir, in dem die einsatzbereiten Spermien gelagert werden.

Der zweite Teil der Reise führt durch die Harnröhre: 20 Zentimeter Länge, beginnend unterhalb der Peniswurzel, durch den Penis hindurch bis zur Penisspitze und dann hinaus. Wenn die Spermien oben ankommen, haben sie eine Geschwindigkeit von ca. 3 Millimeter pro Minute – im Vergleich zu ihrer Größe ist das sehr viel! Ohne diesen Druck würde ein Teil des Spermas in der Harnröhre zurückbleiben und zugrunde gehen oder langsam herauströpfeln.

Das wäre schlecht, denn die Natur will möglichst vielen Spermien die Chance auf Befruchtung geben. Am Druckaufbau sind mehrere Mechanismen beteiligt: Zum einen verengt sich die Harnröhre, weil ihr ein Schwellkörper Platz weg nimmt; zum anderen wird die Öffnung an der Penisspitze schmäler. Ähnliches kennt man vom Gartenschlauch: Wenn man ihn zusammenquetscht, wird der Druck kräftiger und der Strahl reicht weiter.

An die Ejakulation schließt sich Teil 3 der Reise an: er reicht bis zum weiblichen Eierstock. Sobald die Spermien im Uteruseingang (so genannter Muttermund) angekommen sind, bewegen sie sich mit Hilfe ihres Schwanzes voran. Dabei sind sie richtig gut: Sie bewältigen pro Sekunde die Länge ihres eigenen Körpers – ein Zwanzigstel Millimeter – und das gegen einen Strom aus Schleim. Einen Vergleich mit menschlichen Schwimmrekorden braucht das Spermium also nicht zu scheuen.

Die Gesamtstrecke von den Hoden bis zur Harnröhrenmündung an der Spitze des Penis ist mit all ihren Windungen ca. 2 Meter lang! Als nächstes sind rund 15 bis 20 Zentimeter von der Scheide bis zum Eileiter zu bewältigen, in dem sich eventuell ein befruchtungsfähiges Ei befindet. Wegen der vielen Hindernisse schaffen das nur etwa 300 der bis zu 500 Millionen Spermien, die sich auf die große Reise gemacht haben.

 

Quellen: Fritz Kahn, Unser Geschlechtsleben – Ein Führer und Berater für jedermann, 1937

Heinrich Martius, Lehrbuch der Geburtshilfe, 1962

Wir danken Univ.-Prof. Dr. Walter Stackl für die wissenschaftliche Beratung.