Frau riskierte Kopf und Kragen
„... ach übrigens: ich habe abgetrieben.“ Auch im Jahr 2009, mehr als dreißig Jahre nach der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, kommt so ein Satz keiner Frau leicht über die Lippen. Umso spektakulärer waren der Mut und die Entschlossenheit, mit der sich am 11. April 1971 im französischen Wochenblatt ‚Nouvel Observateur’ 343 Französinnen dazu bekannten, abgetrieben und damit gegen geltendes Recht verstoßen zu haben. Und sie forderten dieses Recht für jede Frau. Das Bekenntnis versetzte nicht nur Frankreich in Aufruhr, sondern erregte auch international Aufsehen.
Am 6. Juni 1971 folgten auf Initiative der Journalistin und Feministin Alice Schwarzer mehrere hundert prominente und nicht prominente Frauen im deutschen Magazin ‚Stern’. Am 12. März 1974 veröffentlichte die Deutsche Ärztezeitung schließlich das Geständnis von 329 westdeutschen ÄrztInnen, Abbrüche durchzuführen oder durchgeführt zu haben.
Die mutigen Frauen riskierten eine Anzeige, einen Prozess, eine Verurteilung und Gefängnis. Die nicht weniger mutigen ÄrztInnen riskierten darüber hinaus ein Berufsverbot, also ihre Existenz. Durch diese Aktionen erhielt die öffentliche Diskussion Gewicht und Dynamik und trug mit dazu bei, dass schließlich 1975 das Abbruchverbot fiel.
In der virtuellen Zeitreise '60 Jahre Bundesrepublik', gestaltet vom Schülerinnen und Schülern der Henri-Nannen-Journalistenschule, erzählt eine der beteiligten Frauen, wie sie ihre eigene Abtreibung im Jahre 1959 erlebt und warum sie sich 1971 an der Stern-Aktion beteiligt hat.