Interview mit Wilhelmine Halama am 1. Februar 2010 in den Räumen des MUVS
Ich habe einen 40jährigen Sohn und bin froh, dass es ihn gibt!
Aber nach meiner Scheidung wurde ich im Jahre 1973 schwanger von jemandem, der es nicht ehrlich mit mir gemeint hat. Daher fragte ich in meinem Bekanntenkreis herum, ob jemand einen Arzt wüsste. Damals war der Abbruch noch illegal, so dauerte es ca. 3 Wochen, bis ich erfolgreich war. Ich war aber trotzdem noch sehr früh in der Schwangerschaft, weil ich bereits unmittelbar nach dem Ausbleiben der Menstruation mit der Suche begonnen hatte. Ich bekam aber auch ‚volksmedizinische’ Ratschläge, beispielsweise von der Stiege zu springen oder Rotwein zu trinken. Diese habe ich nicht ausprobiert. Andere rieten mir, ins Ausland zu fahren wegen des Abbruchs, wie das viele Frauen gemacht haben.
Ich erfuhr, dass es 4.000 ats kosten würde. Das war für mich ziemlich viel Geld, denn ich verdiente als Angestellte im Trend-Profil-Verlag monatlich ungefähr 5.000 ats. Ich bat meinen Chef um einen Vorschuss – offenbar sah er mir an, dass es sehr wichtig war, denn er genehmigte ihn sofort.
Mit dem Geld fuhr ich ganz alleine in den 21. Bezirk, in einen alten Gemeindebau an der Ecke Donaufelderstrasse/Fultonstrasse. An den Namen des Arztes kann ich mich nicht mehr erinnern, aber es war ein Praktischer Arzt, worüber ich im ersten Moment sehr erschrocken bin (dass es kein Gynäkologe war, Anm. d. Red.)
Nachdem ich das Geld übergeben hatte, wurde ich wieder weggeschickt und sollte erst in einer Stunde wiederkommen. Während ich die Minuten zählte, gingen alle Ängste durch meinen Kopf! Was wäre, wenn mein Geld nun ohne Gegenleistung verschwunden wäre? Ich ärgerte mich über mich selbst, dass ich es so leichtgläubig hergegeben hatte.
Aber ich hatte Glück und es ist alles gut verlaufen. Wahrscheinlich waren eine Stunde vorher noch andere Patienten da gewesen und der Arzt musste warten, bis er mit mir alleine sein konnte. Er machte den Abbruch ohne Narkose, aber mit sehr viel Feingefühl. Er erkläre mir jeden einzelnen Handgriff, sodass ich auch mitarbeiten konnte. Nach dem Abbruch fuhr ich mit dem Taxi zu meiner Schwester, um mich zu erholen. Ich hatte keinerlei Komplikationen, aber ich hörte von anderen Frauen, dass sie bei anderen Ärzten nicht so gute Erfahrungen gemacht hatten. Bei manchen ist es zu schwersten Verletzungen gekommen und manche Frauen sind auch gestorben.
Schwangerschaftsabbrüche waren vor der Legalisierung häufig. Mein Arzt hatte einen guten Ruf, woraus ich schließen kann, dass ihn viele kannten. Er machte wöchentlich drei bis fünf Abbrüche.
Im Jahr 1982 – also nach der Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs wurde ich nach einer Hormonbehandlung nochmals schwanger und habe mich wieder zur Abtreibung entschieden. Diesmal war ich bei Dr. … einem Gynäkologen im 3. Bezirk. Der Abbruch kostete 4200 ats und war eine Absaugung in Kurznarkose. Weil Abbrüche eben legal waren, lief es bei Dr. … viel professioneller ab: Es gab einen ganz modernen OP und einen eigenen Ruheraum. Jeden Samstag kamen Frauen zum Abbruch, nicht nur aus Wien sondern sogar aus Vorarlberg und Salzburg. Später habe ich bei diesem Arzt auch gearbeitet und die Frauen nach dem Abbruch versorgt und betreut.
Ich komme aus Wien-Leopoldstadt aus einer Familie, die nicht sehr religiös ist. Bei uns zu Hause war die Einstellung gegenüber dem Recht auf Abbruch immer schon sehr positiv. Wir wussten alle, dass meine ältere Schwester Abbrüche hatte. Ihr ging es allerdings anschließend sehr schlecht, denn sie hatte nicht so viel Glück wie ich.
An den großen öffentlichen und politischen Diskussionen um die Legalisierung des Abbruchs (1974 und 1975) hat meine Mutter aktiv teilgenommen, obwohl sie damals schon 67 Jahre alt war.
Anlässlich meines Interviews im MUVS habe ich zum ersten Mal meinem Sohn und meiner Schwiegertochter von den Abbrüchen erzählt. Auch sie haben das sehr positiv aufgenommen.