The Knitting Needle Bill
Das Lied stammt aus dem Jahr 1976, gerade als die Abbruchdebatte in Neuseeland ihren Höhepunkt erreicht hatte.
Im 19. Jahrhundert waren die Abbruchgesetze in Neuseeland und Australien sehr restriktiv - entsprechend dem englischen Recht – und veränderten sich nur langsam.
Bewegung kam im Juni 1938 in die Diskussion, als Dr. Aleck Bourne aus London, einen Schwangerschaftsabbruch an einer vergewaltigten Vierzehnjährigen vornahm. Richter Macnaghten informierte die Jury, dass ein Abbruch dann nicht gegen das Gesetz verstößt, wenn dadurch die Gesundheit der Frau geschützt wird.
Im Jahr 1967 wurde im United Kingdom ein liberaleres Abbruchgesetz verabschiedet, doch Neuseeland und Australien folgten ihm nicht. Abbrüche wurden weiterhin heimlich durchgeführt. Wer Geld hatte, konnte zu einem legalen Abbruch nach England oder Japan reisen. Arme Frauen mussten entweder zur Selbsthilfe greifen oder zu Hinterhof-Engelmacherinnen gehen oder sie fanden einen Arzt, der ihnen verstohlen half.
Jeder Staat Australiens hat eigene (und unterschiedliche) Gesetze für den Schwangerschaftsabbruch. Obwohl im Jahre 1969 ein Gerichtsverfahren in Melbourne Bestechungen bei der Polizei sowie politische Einflussnahmen aufzeigte, folgten ein Freispruch und die Liberalisierung des Abbruchgesetztes im Staat Victoria. Ähnlich war es 1971 in Sydney, als die Jury in einem anderen Gerichtsverfahren die involvierte Abbruchklinik nicht schuldig sprach und so das Gesetz im Staat New South Wales liberalisierte. Danach wagten sich Kliniken in diesen beiden Staaten stärker ins Licht der Öffentlichkeit; es stieg auch der trans-tasmanische Abbruchtourismus (Die Entfernung zwischen Auckland und Sydney beträgt 2146 km).
Im Mai 1974 öffnete eine private Abbruchklinik in Auckland, um zu prüfen ob auch in Neuseeland eine liberalere Gesetzesauslegung möglich wäre. Dadurch bekamen Arme wie Reiche Zugang zu einem sicheren Abbruch in Neuseeland. Allerdings unternahm die Polizei im September 1974 eine Razzia in der Klinik und stellte einen der Ärzte vor Gericht. Aus Angst, dass die Jury keine Verurteilung vornehmen würde – wie zuvor in Melbourne und Sydney -, starteten militante Abbruchgegner eine Kampagne für eine Gesetzesänderung.
Aus Angst, dass die Jury keine Verurteilung vornehmen würde – wie zuvor in Melbourne und Sydney - starteten militante Abbruchgegner eine Kampagne für eine Gesetzesänderung. In ihrem Sinne brachte Dr Gerald Wall, MP, einen Gesetzesantrag ein (The Knitting Needle Bill), der nur Spitälern einen Schwangerschaftsabbruch gestatten sollte; damit wollte er die gerichtliche Schließung der Auckland Klinik erreichen. Das Gesetz wurde zwar im Mai 1975 angenommen, aufgrund eines Formfehlers aber niemals in Kraft gesetzt. Die Klinik blieb daher geöffnet. Im August 1976 unternahm der Gesundheitsminister Air Commodore Gill einen weiteren Versuch, Schwangerschaftsabbrüche auf Spitäler zu beschränken. Dieser wurde allerdings vom Parlament abgelehnt, da es bereits im Juni 1975 eine Kommission eingesetzt hatte, die sich mit Verhütung, Sterilisation und Abbruch befassen sollte. Im Mai 1977 legte die Kommission einen sehr konservativen Bericht vor. Daraus resultierte eine Neufassung der Abbruchgesetzgebung, die zwar am Papier noch immer sehr einschränkend ist, aber in der Praxis einen vernünftigen Zugang zum Abbruch ermöglicht – wenn auch mit hohem bürokratischen Aufwand. Der damalige Prime Minister, Rob Muldoon, war übrigens auch selbst ein organisierter Abbruchgegner.
Der Songschreiber, Dr Erich Geiringer (1917-1995), Arzt und Flüchtling aus Wien, bestritt eine wöchentliche Diskussionssendung auf ‚Radio Windy’, wofür er auch satirische Sings schrieb und sang. Die Illustrationen zeigen (oben links beginnend): einen rauchenden wilden Farmer in schwarzem Unterhemd aus Wolle und Gummistiefeln. Mitte: Wappen der australischen Fluglinie Qantas mit den neuseeländischen Symbolen Rugby, Schaf, Bier und Stricknadeln. Oben rechts: Bernadette. Die Bilder unten zeigen verschiedene verbotene Abbruchmethoden: Higginson Spritze, Kräuter, Zaubertrank, heißes Bad und Gin etc. Die Satire beschreibt das reiche junge Fräulein, das sich schon darauf freut, was sie nach ihrer schnellen australischen Abtreibung alles geniessen wird: ein paar Tage Shopping, ein Opernbesuch und ein Ausflug an den berühmten Strand von Bondi. Als sie merkt, dass das liberalisierte Gesetz ihr den Spaß verdirbt, wird sie böse. So sollen durch diesen Song die Politiker daran erinnert werden, dass ein einschränkendes Gesetz nur Auswirkungen auf die Armen hat, die wieder gezwungen wären, ihre Zuflucht bei gefährlichen Hinterhof-Methoden zu suchen.
Melodie: Viktorianisches Music Hall Lied ‚Sie war so arm aber ehrlich’
Chor: „Es ist immer und überall dasselbe: Die Armen werden bestraft, die Reichen bekommen die Butter. Es ist eine blutige Schande.“